Fischbek bei der Buxtehuder Stadtmeisterschaft

Eines der nettesten Schnellschachturniere in der Hamburger Umgebung ist die Offene Stadtmeisterschaft der Schachfreunde Buxtehude, welche als Schnellschachturnier über 9 Runden ausgetragen wird.

Letztes Jahr war Fischbek dabei noch mit drei Spieler:innen vertreten gewesen: Neben Carina Brandt und mir selbst war auch Jürgen de Voogt dabei gewesen — und hatte das Turnier nicht nur mit 8/9 Punkten gewonnen, sondern auch einen Bericht darüber geschrieben. In der diesjährigen Ausgabe waren Carina und ich aber die einzigen Fischbeker.

Gespielt wird in der Halle des örtlichen Schützenvereins, die reichlich Platz und Tische bietet, sodass wirklich jedes Brett einen eigenen Tisch hat. Dazu gibt es exzellente Verpflegung vom Team der SF Buxtehude und eine wirklich nette Turnieratmosphäre.

Aber damit haben wir eigentlich schon vorgegriffen: Denn vor dem Turnierbeginn steht erstmal die Anfahrt. Als überzeugte Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel wollten Carina ich auch dieses Mal wieder mit der Bahn anreisen. Die fährt zwar am Wochenende aktuell wegen Bauarbeiten nur je einmal pro Stunde in Richtung Buxtehude, aber glücklicherweise zeitlich recht passend für den Turnierstart. Nur: Die S-Bahn fuhr nicht los. Eine Ansage von „Die Abfahrt verzögert sich noch einen Moment“ reihte sich an die nächste, bis wir schließlich mit 30 Minuten Verspätung endlich losfuhren. Wir riefen also schonmal beim Turnierorganisator Ralf Schöngart an, dass wir es vermutlich nicht mehr zum Start der 1. Runde schaffen würden und in der Paarung für diese rausgenommen werden können.

Tatsächlich trafen wir dann im Spielsaal ein während gerade die Eröffnungsansprache gehalten wurde — aber direkt bevor die Paarungen verlesen werden sollten. Die Organisatoren waren dann so nett, noch einmal schnell neue Paarungen zu zaubern, die auch Carina und mich enthielten. Und nach diesem holprigen Start des Tages ging es dann endlich richtig los!

Die versammelte Gegnerschaft war ähnlich stark wie schon im letzten Jahr: Unser eigener Haus-beinahe-FK Jürgen war zwar wie gesagt nicht da, aber stattdessen FM Christoph Kuberczyk vom SK Marmstorf sowie etliche spielstarke Spieler:innen aus dem südlichen Umland Hamburgs, etwa Lars Buck, welcher letztes Jahr durch einen Sieg in der letzten Runde gegen mich auf dem 2. Platz gelandet war.

Eine Besonderheit der Buxtehuder Stadtmeisterschaft gegenüber anderen offenen Turnieren ist, dass die SF Buxtehude die Setzliste für die erste Runde wirklich völlig zufällig auslosen. Hier spielt also nicht der Erstgesetzte gegen die erste Person der zweiten Hälfte, sondern einfach willkürlich. Carina durfte so in der ersten Runde gegen Lionel von Flottwell spielen, dem sie selbst noch gerade erst beim SK Wilhelmsburg Training gegeben hat — und in Runde 2 dann gegen Lionels Vater. Carina konnte sich in beiden Partien durchsetzen.

Mein eigenes Turnier startete ebenfalls flüssig mit zwei eher ungefährdeten vollen Punkten. In Runde 3 kam es dann aber schon zum frühen Familienduell: Jakob gegen Carina. Gut, bei einem Teilnehmerfeld von 45 Spieler:innen mit uns beiden eher am oberen Ende der Setzliste ist es abzusehen, dass wir irgendwann gegeneinander würden spielen müssen, aber Runde 3 ist doch arg früh dafür. Letztes Jahr konnten sich die frei Fischbeker:innen noch reihum schlagen: Carina mich, ich Jürgen, und Jürgen dann Carina. Aber dieses Mal waren wir nur zu zweit, sodass das Manöver nicht mehr aufging. Jedenfalls konnte ich dieses Mal die Partie gegen Carina für mich entscheiden.

Carina und ich konnten auch in der 4. Runde beide unsere Partien gewinnen und standen dann zur Mittagspause mit 3/4 bzw. 4/4 Punkten da. Der Setzranglistenerste Christoph Kuberczyk hatte auch schon halbe Punkte liegen lassen. Also bekam ich den einzigen anderen Spieler, der noch 100% vorweisen konnte: Lars Buck, eben den, der mich letztes Jahr in der allerletzten Runde geschlagen hatte. Rache!

Da es eben Mittagspause gab hatte ich für diese Partie sogar Zeit für eine ganz knappe Partievorbereitung. Die ersten zehn Züge davon kamen auch direkt auf’s Brett, aber wie es mit Vorbereitungen halt immer so ist, mein elfter Zug war Grütze. Statt die einzige Seite mit einem nachhaltig sicheren König und mehr Zentrum zu sein steuerte ich in ein wildes Dickicht mit Leichtfigur gegen drei Bauern (5 Bauern gegen 8 um genau zu sein), in dem mein König offen auf d2 herumstolzierte. In der Besprechung nach der Partie stellten Lars und ich fest, dass beide von uns diese chaotische Stellung als „bestimmt gewonnen“ eingeschätzt hatten, aber eben jeweils für uns selbst. Die Engine vergibt klare -0,53, also ein deutliches „vielleicht“. Die Partie fand dann aber ein jähes Ende, weil mein Gegner einen Bauernhebel probierte, der leider alle drei Bauern um den eigenen König mit Schach weghebelte. 5/5 Punkte, und erfolgreich gerächt für letztes Jahr!

Für Carina war in Runde 5 ebenfalls eine Revanche gegen einen Gegner vom letzten Jahr angesagt, hier mit den weißen Steinen:

Carina mit Weiß: Schwarz steht ganz schön in der Ecke und hat gerade mit …Se3 den Turm auf f1 attackiert. Aber Weiß kann einfach weiter nach vorne spielen: 24.Texf4 Sxf1 und jetzt kommt elegant Schachmatt mit 25.Df7+ Kh8 26.Sg6+ nebst Th4.

Runde 6 gab dann die Spitzenpaarung an Brett 1: Christoph Kuberczyk (4/5 mit zwei Remisen) mit Weiß gegen mich als einzigen Spieler mit 5 Punkten. Die Partie wurde denn auch sehr spannend. In einer Art Französisch-Struktur versuchte ich mit Schwarz am Damenflügel zu Ruhm zu kommen, während Christoph am Königsflügel auf Matt spielte.

FM Christoph Kuberczyk – Jakob Kneip
Weiß am Zug
Schwarz daddelt irgendwie am Damenflügel herum und würde gerne eines Tages …Sxa3 oder …Sxb2 spielen. Weiß mach hier direkt 23.f5 und eröffnet die Jagd auf den schwarzen König.

Wenige Züge später fand Weiß schon den vermeintlichen Ausknipser im Mattangriff:

Kuberczyk – Kneip
Weiß hat hier gerade den Einschlag 25.Sxd5 entdeckt. Nach 25…exd5 26.Lxd5+ Kh8 sollte 27.Dd3 gefolgt von Dh3 Matt setzen — aber Schwarz kann sich noch mit 27…g5 über Wasser halten, was die sechste Reihe freiräumt für …Dh6.

Schwarz hatte also erstmal eine Figur für zwei Bauern mehr, allerdings immer noch einen äußerst luftigen König und eine Menge ungedeckter Leichtfiguren. Den Läufer auf d5 zu verscheuchen ist auch leider alles andere als einfach. Christoph spielte also weiter auf Matt, und konnte einige Züge später die Partie mit einem sehenswerten Manöver beenden — so sehenswert, dass wir es uns von seiner Seite aus angucken:

Kuberczyk – Kneip
Weiß am Zug
Hier fand Christoph das sehr starke 34.Lg3!, was sowohl Le5+ als auch Tf7+ droht. Nach 34…Lf6 von mir kam 35.Le5! Lxe5 36.Tf7+ Kg8 und jetzt…
Kuberczyk – Kneip
37.e7! Ich hatte mich ganz darauf verlassen, dass die Mattmotive rund um …Tc1+ ausreichen würden, damit Weiß einen Zug auf ein defensives Manöver aufwenden müsste, aber das war ein Fehlschluss. Nach 37…Tc1+ käme nämlich 38.Tf1+, ein Gegenschach! Anstelle von Tc1+ musste ich mich also mattsetzen lassen.

Damit hatte Christoph mich eingeholt, sodass man von jetzt an all seinen Buchholz-Lieferanten die Daumen drücken musste.
Carina musste in Runde 6 ebenfalls ein bisschen Federn lassen, ergatterte aber doch noch irgendwie ein Remisangebot und stand damit bei 4,5/6 Punkten. Zeit für das letzte Drittel!

Runde 7 ließ mich dann gegen den Turnierorganisator selbst spielen, Ralf Schöngart. In einer sehr geschlossenen Stellung (an einer Stelle hatte ich alle meine Bauern auf den weißen Feldern der 6. und 5. Reihe aufgebaut, zum Leidwesen meines weißfeldrigen Läufers) konnte ich mit einem Trick am Damenflügel zwei Bauern einheimsen und in dieser Bresche dann auch gleich komplett durchbrechen. 6/7 Punkte! Carina zog ebenfalls mit und war mit 5,5/7 eine der ärgsten Verfolgerinnen — und Christoph Kuberczyk mit 6/7 konnte ebenfalls Schritt halten.

Die Vorentscheidung für Fischbek sollte dann in Runde 8 fallen. Hier nämlich durfte Carina mit Schwarz gegen Christoph Kuberczyk ran. Meine eigene Partie war nach weniger als 5 Minuten beendet; sie folgte einer meiner Oberligapartien, nur mit einem Tempo mehr für mich (gratis 0-0 für Weiß), und endete noch mitten in der Eröffnung mit dem gleichen taktischen Motiv (Sxe5) wie die Partie aus der Oberliga. (Die hier. Man stelle sich 0-0 statt langer Rochade vor, und Lb6 Dc6 Sxe5.) Aber zurück zum eigentlichen Highlight dieser Runde: Carina baute gegen Christoph eine Wolga-Struktur auf, also mit einem Bauern weniger, aber guten Feldern für die Leichtfiguren und etwas Aktivität. Irgendwann bekam Weiß für den Mehrbauern das Läuferpaar, aber Carina konnte das Endspiel souverän in Richtung Punkteteilung leiten:

FM Christoph Kuberczyk – Carina Brandt
Schwarz am Zug
Noch hat Schwarz einen Freibauern auf c4, aber der macht es vermutlich nicht mehr lange. Schwarz wählte eine sehr saubere Behandlung der Stellung mit …Lh6!, was Lxf6+ quasi erzwingt (nach Tc2 Sh5 würde es unangenehm für Weiß). Das kostet nach …Kxf6 Txc4 zwar den Bauern, aber man erhält ungleichfarbige Läufer. Und die Türme verschwinden auch flugs vom Brett: …Tb2 Kg3 Ke5 La4 Lf4+ Kg2 Le3 Tc2 Txc2 Lxc2 und wenige Züge später wurden sich die Hände geschüttelt.

Eine starke Partie von Carina, die damit bei 6/8 Punkten stand und mir vor der letzten Runde einen halben Punkt Vorsprung auch Christoph erarbeiten konnte. Bei der Buchholz sah es knapp aus, aber wahrscheinlich war meine Nase etwas weiter vorne als Christophs — vielleicht würde ein Remis in der letzten Runde reichen, vielleicht nicht.

Machen wir es kurz, die letzte Runde habe ich auch gewonnen. Damit musste dann auf die Feinwertung nicht weiter geguckt werden und ich durfte mit 8/9 Punkten den Pokal für die Buxtehuder Stadtmeisterschaft entgegennehmen! Und eine Urkunde, und ein Buch.

Ein wirklich hübscher rot-goldener Pokal für den 1. Platz! Das Buch ist hinter der Urkunde versteckt.

Zweiter wurde Christoph Kuberczyk mit 7,5/9 Punkten, der zwar ungeschlagen war, aber eben drei Remis abgegeben hatte.

Und auf dem dritten Platz, mit noch einem Sieg in der letzten Runde, Carina Brandt vom TV Fischbek mit 7/9 Punkten (und ohne Niederlage gegen Nicht-Fischbeker)!

Deutlich geübter im Annehmen von Preisen als ich: Carina auf Platz 3 mit Medaille, Urkunde, Buch und Schokolade (letztere schon nicht mehr im Bild)

Damit bleibt es mir, zum Abschluss noch einmal den Organisatoren von SF Buxtehude für die tolle Ausrichtung dieses Turniers zu danken — der Spielort ist schön, das Spielmaterial gut, und es gibt vorzügliche selbstgebackene Kuchen zu essen. Und natürlich auch nochmal vielen Dank dafür, für Carina und mich die Paarungen der ersten Runde doch noch einmal neu zu losen! Ohne die erste Runde hätte es für uns ganz anders ausgesehen. Nächstes Jahr hoffentlich wieder!

Endstand, mit Fischbek auf den Plätzen 1 und 3

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