Oberliga Runde 8: Fischbek – Königsspringer 2:6

Die erste Oberliga-Saison der ersten Fischbeker Mannschaft neigt sich dem Ende zu, und mittlerweile ist auch mathematisch klar, dass dies bis zu unserem nächsten Aufstieg vorerst die letzte Saison in dieser Klasse sein wird. Aber bis dahin wird weiter um jeden Brett- und Mannschaftspunkt gekämpft — dieses Wochenende nun daheim gegen die ebenfalls erste Mannschaft von Königsspringer Hamburg.

Königsspringer ist neben uns selbst die einzige Mannschaft in der Oberliga, die wirklich konsistent ihre Spieler:innen einsetzt. Hier gibt es keine Wundertüte voller Titelträger, bei der jede Runde neu ausgewürfelt wird wer an den Brettern erscheint; nein, hier kommen von den Setzplätzen 1-7 zuverlässig mindestens 6, meistens alle 7 mit. Bis auf das hinterste Brett von Nikolas Egelriede sollten die Vorbereitungen also alle maßgeschneidert sein.

Kurz vor elf Uhr waren denn auch alle Gäste (und die meisten Fischbeker) eingetrudelt. Von Königsspringer waren in der Tat die Plätze 1-7 sowie der am häufigsten eingesetzte achte Spieler erschienen. Man durfte also gespannt sein was in den heimischen Variantenlaboren der Fischbeker so alles angebraut wurde!

Fangen wir an mit meinem eigenen Giftgemisch, welches wohl mit Abstand die beste Wirksamkeit zeigte und mir nicht nur ein gutes Polster an Mehrbedenkzeit verschaffte, sondern auch früh eine dominierende Stellung:

Jakob Kneip – FM Julian Zimmermann
Stellung nach 11…Dc7 von Schwarz
Schwarz hat in dieser Sizilianisch-Nebenvariante zwar früh das Läuferpaar eingeheimst, dafür aber einiges an Rückstau bei der Entwicklung. Der letzte Zug von Schwarz war besonders unglücklich, da hier nach 12.Lb6 die Dame leider nur ein Feld hat, nämlich 12…De7. Alle anderen Felder verlieren gegen Sxe5 nebst Td8#.

Sichtlich unglücklich nach 12.Lb6 spielte mein Gegner dann 12…De7, aber das macht die weitere Entwicklung natürlich noch kniffliger. Meine weiteren Züge waren 13.Td2 Le6 14.Thd1, denn mit der Dame auf e7 ist der d6-Bauer auch noch anfällig. Mein Gegner versuchte den noch mit einem Trick zu verteidigen:

Stellung nach 14…Dd7!?
Mit diesem Damenzug wird der d6 wieder vom Läufer gedeckt. Aber halt, hängt jetzt nicht einfach der e5-Bauer? Jein: Der intendierte Trick von Schwarz ist, dass nach 15.Sxe5 dxe5 auch die weiße Dame hängt, und Txd7 Lxb4 Td8+ ist nicht etwa Schachmatt, sondern nach Ke7! eine glatte Mehrfigur für Schwarz.
Die Falle geht aber nach hinten los angesichts von 15.Sxe5 dxe5 16.Da5: Jetzt hängt die schwarze Dame immer noch, darf aber nicht ziehen, weil sonst Td8+ gefolgt von Db4 Matt wäre.

Im Sinne von der ersten klaren Entscheidung auf dem Brett war ich damit früh durch, die erste tatsächlich beendete Partie war es jedoch trotzdem nicht — mein Gegner wehrte sich auch mit Dame weniger noch nach Leibeskräften, wenn auch am Ende ohne Erfolg. 1:0 für Fischbek.

Wagen wir mal einen Blick in die Runde, ob die anderen Fischbeker:innen auch so viel Glück mit ihren Vorbereitungen hatten, beginnend bei Chemielaborant M.Sc. Marco Rolf an Brett 3 — welche Laborwaffe wurde hier auf den Gegner losgelassen?

FM Jan Peter Schmidt – Marco Rolf
Stellung nach 10…Tb8 von Schwarz
Äääh, ja. Also, die Fischbeker Vorbereitung…

Hui, hier gab es also einiges zu knabbern für Marco. Immerhin war der Weißspieler so freundlich, den Läufer auf e3 stehenzulassen, sodass Marco für den a-Bauern zumindest das Läuferpaar als Kompensation vorweisen konnte — damit sah die Stellung aus dem Augenwinkel gleich wieder etwas gesünder aus.

Springen wir woanders hin. Alexander Schneider hat in dieser Saison (und in den Landesliga-Einsätzen davor) schon oft gute und lange Vorbereitungstreffer gehabt, wie steht es hier wohl?

FM Willi Skibbe – Alexander Schneider
Stellung nach 27…Df8 von Schwarz
Tja. Hier war die Eröffnung noch okay, aber das Mittelspiel ist irgendwie missglückt. Gab es nicht ein Sprichwort über Läufer am Rande? Die weißen Bauern, Leicht- und Schwerfiguren sind jedenfalls alle besser als ihre schwarzen Gegenstücke. Und außerdem hängt hier gerade 28.Lxa6, was Weiß auch direkt gemacht hat.

Allzu lange ging’s dann bei Alexander auch nicht mehr. Es wurde noch ein Gegenstoß mit dem f-Bauern versucht, aber das endete leider darin, dass Weiß mit Ld3 und Dh5 den Punkt h7 attackieren konnte statt umgekehrt. Ausgleich zum 1:1.

Versuchen wir es doch mal bei einem weiteren Weißspieler auf der Fischbeker Seite: Nikolas Egelriede, unsere Allzweckwaffe an Brett 8. Hier war meinem Empfinden nach die Stellung quasi immer gut, aber unübersichtlich:

Nikolas Egelriede – Andrei Hloskovsky
Stellung nach 16…c5 von Schwarz
In dieser Eröffnung steht Schwarz immer optisch platt, in der Praxis ist das aber trickreich nachzuweisen. Angesichts von möglichem …Da5 und Einschlägen auf c3 und/oder b2 entschied sich Nikolas hier für das solide 18.Sde2 (nach dem Zwischentausch 17.fxg6 hxg6). Damit bekam Schwarz aber genügend Zeit für 18…Lb7, und nach dem gegenseitigen Wegnehmen von Bauern auf d6 und e4 fiel plötzlich der Läufer auf e3 gegen einen gemeinen Läuferrückzug des schwarzen Le4.

1:2 für die Gäste soweit, aber wir haben ja noch mehr Weißspieler:innen in petto. Auf zu Carina Brandt! Bei Carina kann man sich auf zwei Dinge verlassen: Egal, was die Eröffnung war, die Stellung ist chaotisch-wild; und egal, was die Eröffnung war, die Stellung ist eine Französisch-Struktur.

Carina Brandt – Max „Max Bo“ Borgmeyer
Stellung nach 12…b5 von Schwarz
Na wer sagt’s denn, eine Französisch-Struktur entstanden aus einer völlig anderen Eröffnung. Hier mal kreativ mit einem Läufer auf b2. Beim Aspekt „chaotisch-wild“ ist aber durchaus noch Luft nach oben. Das sah auch Carina so und erhöhte die schachliche Entropie umgehend mit der Sofortmaßnahme 13.Sxd5!??! exd5 14.Dxd5, was, drücken wir es mal so aus, für mich als Zuschauer schwer einzuschätzen war — statt hier zu rechnen bin ich einfach woanders zuschauen gegangen.

Die Folgen dieses Figurenopfers waren auch für die Beteiligten der Partie nicht ganz so klar, aber der schwarze König schaffte es einige Züge später erfolgreich mittels der langen Rochade aus der Brettmitte zu verduften, und damit verduftete auch die weiße Kompensation für das Material. 1:3 für die Gäste.

Probieren wir es doch noch mal bei einem Fischbeker, der sich oft in der Eröffnung länger auskennt als der Gegner: David Serrer an Brett 7. Hier wurde mit Schwarz in der Eröffnung früh eine Qualität investiert, um Herr der langen Diagonale zu werden:

Markus Langmann – David Serrer
Stellung nach 23.hxg3 von Weiß
Schwarz hat das Läuferpaar und zwei Bauern für den Turm, also eigentlich ausgezeichnete Kompensation, wenn nicht mehr als das. Konkret müssen aber ein paar Problemchen gelöst werden: Weiß droht nicht nur Td7 mit Frühjahrsputz auf der siebten Reihe, sondern auch Sd2-e4-f6+ mit Abtausch des Läuferpaars. Kann Schwarz beides stoppen?
David versuchte 23…Le5, was Td7 wenig effektiv macht, da nun c7 gedeckt ist und g3 hängt. Gegen Se4 gefolgt von Sf6+ half das aber nicht, und nach dem Abschied vom Läuferpaar hielt die Stellung nicht mehr lange zusammen gegen die eindringenden Türme.
Die Engine weist einen Weg sowohl Se4 als auch Td7 zu stoppen, aber der ist absolut unmöglich zu finden: 23…Te8 (stoppt Se4) mit der Pointe 24.Td7 Lc8!!, was dem weißen Turm die Wahl gibt welcher Bauer gefressen werden soll, dabei aber das Feld h3 deckt. Wenn der weiße Turm die d-Linie verlässt und einen der Bauern nimmt kommt …Ld4+, eventuell sogar noch …Te2 hinterher.

Damit sind wir beim Zwischenstand von 1:4 für die Gäste angekommen und haben noch gar nicht alle Partien betrachtet. Schauen wir zunächst mal wieder bei Marco rein. Hier hat der Gegner die Entscheidung gefällt eine Leichtfigur stehen zu lassen, um ein Pärchen gefährlicher Freibauern zu bilden — und das kurz vor der Zeitkontrolle:

FM Jan Peter Schmidt – Marco Rolf
Stellung nach 35.c6 von Weiß
Die Bedenkzeit ist knapp und die Bauern bedrohlich, was tun? Marco lenkte hier die Partie souverän in ungefärhliche Gewässer mit 35…Tb8 36.Lxe6 Txb6!, was die Figur für nur einen der beiden weißen Bauern zurückgibt, aber ein gut haltbares ungleichfarbiges Endspiel mit T+L vs. T+L erreicht. In dessem weiteren Verlauf (und mit einer Portion frischer Bedenkzeit auf der Uhr) ließ Marco dann auch nichts mehr anbrennen und verließ das Labor unfallfrei.

Mit 1,5:4,5 war der Mannschaftskampf damit entschieden. Zwei Fischbeker kämpften aber noch mit ganzer Kraft darum, zumindest auf ein 3,5:4,5 zu kommen: Jürgen de Voogt und Thomas Peters. Beide hatten knifflige Endspiele auf dem Brett.

Thomas Peters – Jörg Lampe
Stellung nach 42…Lg5 von Schwarz
Kurz nach der Zeitkontrolle; Weiß hat etwas mehr Material und den aktuell gefährlicheren Freibauern, aber beide Königs stehen ziemlich luftig. Wie kann der e-Bauer unterstützt werden ohne dass Schwarz Dauerschach bekommt?
Thomas sammelte als erste Maßnahme mit 43.De5 Df6 44.Dxd5 einen der beiden schwarzen Bauern ein. Nachteil: Nach 44…Lf4+ hat Schwarz jetzt womöglich Dauerschach: Sxf4 Dxf4+ ist definitiv nichts für Weiß; Kg1 Le3+ bringt einen nicht weiter; und Kh1 Da1+ Sg1 De1! deckt e4 und droht unverhinderbar die Schaukel auf h4 und e1. Bleibt noch 44…Lf4+ 45.g3, aber dann muss …Lxg3+ Kxg3 Df3+ einfach Dauerschach sein. So wurde hier der Punkt geteilt.
(Die allwissende Engine verrät einem, dass 45.g3 Lxg3+ kein Dauerschach ist, wenn der weiße König eine sorgfältig ausgewählte Route entlangläuft. Weiß verliert dann aber trotzdem den Springer und muss noch ein Damenendspiel mit 1-2 Mehrbauern gewinnen.)

Damit sind wir bei 2:5 für die Gäste. Einer kämpfte aber immer noch, ich möchte fast sagen wie immer, bis zur allerletzten Chance (und mindestens einem weiteren Partieformular) auf einen Sieg: Jürgen hatte bereits vor einer Weile eine Qualität ins Geschäft gesteckt und jetzt eine etwas versprenkelte Ansammlung von Bauern dafür im Endspiel. Weiß hatte aber den zentralisierten König und damit insbesondere Jürgens Monarchen fest im Griff. Wie soll es vorwärts gehen?

FM Max Weber – Jürgen de Voogt
Stellung nach 72.Tg4 von Weiß
Der g-Bauer bewegt sich leider nicht vorwärts, und der schwarze König hat gerade auch keine Route in die weiße Stellung. Wenn Schwarz mit dem König c5 erreichen würde, und insbesondere b4, dann könnte man langsam von einem vollen Punkt träumen — aber wie soll man dort hingelangen?
72…e6+! ist Jürgens Antwort darauf. Das Ausrufezeichen gibt es sowohl für den Kampfgeist als auch, weil ich das für einen exzellenten Gewinnversuch halte. Es kommt 73.Kxe6 Kc6, und jetzt muss Weiß mit 74.Tg5 den schwarzen König abschneiden.

Da dies die letzte Partie war, hatte ich als Zuschauer Gelegenheit hier in Ruhe mitzurechnen — und es rechnet sich natürlich besonders einfach, wenn es weder die eigenen Figuren, noch die eigene Bedenktzeit ist um die es geht. Meine eigene Interpretation von 72…e6+ ging nach 73.Kxe6 Kc6 74.Tg5 weiter mit 74…Ld4, wonach der weiße Turm nicht ziehen kann ohne entweder g2 oder Kc5 zu erlauben — und falls Weiß den König zieht kommt halt …g2 Txg2 Kc5. Aber 74…Ld4 reicht nicht zum erhofften Gewinn, wie u.A. 75.Txg3 Kc5 76.Tb3! nebst Tb5 demonstriert — Schwarz kommt niemals an den a4 ran ohne b6 einzustellen.

Jürgen versuchte es deshalb mit einer anderen Version dieses zweiten Bauernopfers und brachte nach 72….e6+ 73.Kxe6 Kc6 74.Tg5 zunächst mit …Le1-b4-d6 den Läufer auf eine andere Diagonale. Der taktische Nachteil davon war leider, dass Weiß dann (mit dem Turm weiterhin auf g5) Kf5!? machen konnte, weil …Kc5 mit Ke6+ beantwortet werden kann. An der Stelle probierte Jürgen dann sein Glück mit dem Opfer des g-Bauerns um den Turm abzulenken, aber oh weh, in exakt der Stellung ging es nicht: Weiß konnte noch einen weiteren Königszug in Richtung Damenflügel machen bevor der Turm den Bauern schlagen musste, und damit war das schwarze Gegenspiel endgültig vorbei. Die sich ergebende Stellung war dann gemeinerweise nichtmal mehr Remis zu halten, da sich mit den Bauern nur noch am Damenflügel der weiße König langsam erst nach d5, dann c6, dann b5 und schließlich a6 wurmen konnte, wonach Weiß auf b6 die Qualität zurückgibt für ein gewonnenes Bauernendspiel. Das Endergebnis mag ärgerlich erscheinen, aber hier wurde Kampfschach gezeigt!

Das Mannschafts-Endergebnis ist damit ein 2:6 für die Gäste, was sich für mich unangemessen hoch anfühlte. Klar, wir waren wieder an allen Brettern Rating-Underdogs, aber dieses Mal eben nur um je 50-200 Punkte statt wie in einigen anderen Begegnungen mit bis zu 300.

Mit diesem Ergebnis steht leider bereits eine Runde vor Schluss fest, dass Fischbek beim Ausflug in die Oberliga auf dem 10. Platz einlaufen wird. Nichtsdestotrotz werden wir aber natürlich bei der neunten und letzten Runde gegen Norderstedt nochmal alles zeigen!

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