Die erste Oberliga-Saison der ersten Fischbeker Mannschaft neigt sich dem Ende zu, und mittlerweile ist auch mathematisch klar, dass dies bis zu unserem nächsten Aufstieg vorerst die letzte Saison in dieser Klasse sein wird. Aber bis dahin wird weiter um jeden Brett- und Mannschaftspunkt gekämpft — dieses Wochenende nun daheim gegen die ebenfalls erste Mannschaft von Königsspringer Hamburg.
Königsspringer ist neben uns selbst die einzige Mannschaft in der Oberliga, die wirklich konsistent ihre Spieler:innen einsetzt. Hier gibt es keine Wundertüte voller Titelträger, bei der jede Runde neu ausgewürfelt wird wer an den Brettern erscheint; nein, hier kommen von den Setzplätzen 1-7 zuverlässig mindestens 6, meistens alle 7 mit. Bis auf das hinterste Brett von Nikolas Egelriede sollten die Vorbereitungen also alle maßgeschneidert sein.
Kurz vor elf Uhr waren denn auch alle Gäste (und die meisten Fischbeker) eingetrudelt. Von Königsspringer waren in der Tat die Plätze 1-7 sowie der am häufigsten eingesetzte achte Spieler erschienen. Man durfte also gespannt sein was in den heimischen Variantenlaboren der Fischbeker so alles angebraut wurde!
Fangen wir an mit meinem eigenen Giftgemisch, welches wohl mit Abstand die beste Wirksamkeit zeigte und mir nicht nur ein gutes Polster an Mehrbedenkzeit verschaffte, sondern auch früh eine dominierende Stellung:
Sichtlich unglücklich nach 12.Lb6 spielte mein Gegner dann 12…De7, aber das macht die weitere Entwicklung natürlich noch kniffliger. Meine weiteren Züge waren 13.Td2 Le6 14.Thd1, denn mit der Dame auf e7 ist der d6-Bauer auch noch anfällig. Mein Gegner versuchte den noch mit einem Trick zu verteidigen:
Im Sinne von der ersten klaren Entscheidung auf dem Brett war ich damit früh durch, die erste tatsächlich beendete Partie war es jedoch trotzdem nicht — mein Gegner wehrte sich auch mit Dame weniger noch nach Leibeskräften, wenn auch am Ende ohne Erfolg. 1:0 für Fischbek.
Wagen wir mal einen Blick in die Runde, ob die anderen Fischbeker:innen auch so viel Glück mit ihren Vorbereitungen hatten, beginnend bei Chemielaborant M.Sc. Marco Rolf an Brett 3 — welche Laborwaffe wurde hier auf den Gegner losgelassen?
Hui, hier gab es also einiges zu knabbern für Marco. Immerhin war der Weißspieler so freundlich, den Läufer auf e3 stehenzulassen, sodass Marco für den a-Bauern zumindest das Läuferpaar als Kompensation vorweisen konnte — damit sah die Stellung aus dem Augenwinkel gleich wieder etwas gesünder aus.
Springen wir woanders hin. Alexander Schneider hat in dieser Saison (und in den Landesliga-Einsätzen davor) schon oft gute und lange Vorbereitungstreffer gehabt, wie steht es hier wohl?
Allzu lange ging’s dann bei Alexander auch nicht mehr. Es wurde noch ein Gegenstoß mit dem f-Bauern versucht, aber das endete leider darin, dass Weiß mit Ld3 und Dh5 den Punkt h7 attackieren konnte statt umgekehrt. Ausgleich zum 1:1.
Versuchen wir es doch mal bei einem weiteren Weißspieler auf der Fischbeker Seite: Nikolas Egelriede, unsere Allzweckwaffe an Brett 8. Hier war meinem Empfinden nach die Stellung quasi immer gut, aber unübersichtlich:
1:2 für die Gäste soweit, aber wir haben ja noch mehr Weißspieler:innen in petto. Auf zu Carina Brandt! Bei Carina kann man sich auf zwei Dinge verlassen: Egal, was die Eröffnung war, die Stellung ist chaotisch-wild; und egal, was die Eröffnung war, die Stellung ist eine Französisch-Struktur.
Die Folgen dieses Figurenopfers waren auch für die Beteiligten der Partie nicht ganz so klar, aber der schwarze König schaffte es einige Züge später erfolgreich mittels der langen Rochade aus der Brettmitte zu verduften, und damit verduftete auch die weiße Kompensation für das Material. 1:3 für die Gäste.
Probieren wir es doch noch mal bei einem Fischbeker, der sich oft in der Eröffnung länger auskennt als der Gegner: David Serrer an Brett 7. Hier wurde mit Schwarz in der Eröffnung früh eine Qualität investiert, um Herr der langen Diagonale zu werden:
Damit sind wir beim Zwischenstand von 1:4 für die Gäste angekommen und haben noch gar nicht alle Partien betrachtet. Schauen wir zunächst mal wieder bei Marco rein. Hier hat der Gegner die Entscheidung gefällt eine Leichtfigur stehen zu lassen, um ein Pärchen gefährlicher Freibauern zu bilden — und das kurz vor der Zeitkontrolle:
Mit 1,5:4,5 war der Mannschaftskampf damit entschieden. Zwei Fischbeker kämpften aber noch mit ganzer Kraft darum, zumindest auf ein 3,5:4,5 zu kommen: Jürgen de Voogt und Thomas Peters. Beide hatten knifflige Endspiele auf dem Brett.
Damit sind wir bei 2:5 für die Gäste. Einer kämpfte aber immer noch, ich möchte fast sagen wie immer, bis zur allerletzten Chance (und mindestens einem weiteren Partieformular) auf einen Sieg: Jürgen hatte bereits vor einer Weile eine Qualität ins Geschäft gesteckt und jetzt eine etwas versprenkelte Ansammlung von Bauern dafür im Endspiel. Weiß hatte aber den zentralisierten König und damit insbesondere Jürgens Monarchen fest im Griff. Wie soll es vorwärts gehen?
Da dies die letzte Partie war, hatte ich als Zuschauer Gelegenheit hier in Ruhe mitzurechnen — und es rechnet sich natürlich besonders einfach, wenn es weder die eigenen Figuren, noch die eigene Bedenktzeit ist um die es geht. Meine eigene Interpretation von 72…e6+ ging nach 73.Kxe6 Kc6 74.Tg5 weiter mit 74…Ld4, wonach der weiße Turm nicht ziehen kann ohne entweder g2 oder Kc5 zu erlauben — und falls Weiß den König zieht kommt halt …g2 Txg2 Kc5. Aber 74…Ld4 reicht nicht zum erhofften Gewinn, wie u.A. 75.Txg3 Kc5 76.Tb3! nebst Tb5 demonstriert — Schwarz kommt niemals an den a4 ran ohne b6 einzustellen.
Jürgen versuchte es deshalb mit einer anderen Version dieses zweiten Bauernopfers und brachte nach 72….e6+ 73.Kxe6 Kc6 74.Tg5 zunächst mit …Le1-b4-d6 den Läufer auf eine andere Diagonale. Der taktische Nachteil davon war leider, dass Weiß dann (mit dem Turm weiterhin auf g5) Kf5!? machen konnte, weil …Kc5 mit Ke6+ beantwortet werden kann. An der Stelle probierte Jürgen dann sein Glück mit dem Opfer des g-Bauerns um den Turm abzulenken, aber oh weh, in exakt der Stellung ging es nicht: Weiß konnte noch einen weiteren Königszug in Richtung Damenflügel machen bevor der Turm den Bauern schlagen musste, und damit war das schwarze Gegenspiel endgültig vorbei. Die sich ergebende Stellung war dann gemeinerweise nichtmal mehr Remis zu halten, da sich mit den Bauern nur noch am Damenflügel der weiße König langsam erst nach d5, dann c6, dann b5 und schließlich a6 wurmen konnte, wonach Weiß auf b6 die Qualität zurückgibt für ein gewonnenes Bauernendspiel. Das Endergebnis mag ärgerlich erscheinen, aber hier wurde Kampfschach gezeigt!
Das Mannschafts-Endergebnis ist damit ein 2:6 für die Gäste, was sich für mich unangemessen hoch anfühlte. Klar, wir waren wieder an allen Brettern Rating-Underdogs, aber dieses Mal eben nur um je 50-200 Punkte statt wie in einigen anderen Begegnungen mit bis zu 300.
Mit diesem Ergebnis steht leider bereits eine Runde vor Schluss fest, dass Fischbek beim Ausflug in die Oberliga auf dem 10. Platz einlaufen wird. Nichtsdestotrotz werden wir aber natürlich bei der neunten und letzten Runde gegen Norderstedt nochmal alles zeigen!