Bronze bei der Hamburger Einzelmeisterschaft 2024

Unter dem Radar der Nachricht über Magnus Carlsen Verpflichtung für St. Pauli und die Rückkehr starker Großmeister nach Hamburg fand die kleine, aber feine HEM statt. Es war mein erstes Mal bei dieser Veranstaltung – zumindest bei der Hamburger Einzelmeisterschaft, nicht zu verwechseln mit der Hessischen Einzelmeisterschaft (HEM). „Was ist Hessen?“ fragte ein Spieler mit über 2000 Elo beim Turnier. Hier war ich also unter Gleichgesinnten und kämpfte um die Qualifikation sowie um die Bezuschussung für die Deutsche Meisterschaft. Für die Sieger gab es Gutscheine und Sachpreise von ChessBase zu gewinnen.

Keine Woche vor der HEM hatte ich noch an DGT-Brettern in Itzehoe gespielt, einem großartigen Turnier, das mir zwei Niederlagen bescherte – natürlich mit Schwarz. Meine letzten beiden Verlustpartien mit Weiß gegen nicht-titeltragende Spieler der deutschen Föderation waren gegen Dirk Thomzik und David Serrer. Mit Schwarz sind es Elias Mandelkow und Robin Keyser. Spoiler: Sie sind es immer noch. Doch wie im Podcast „C-Squared“ mit Fabiano Caruana und Maurice Ashley als Gast letztens aufgenommen, begeistere ich mich nur für Niederlagen und freue mich wieder was dazu gelernt zu haben 😉. https://www.youtube.com/watch?v=yZGUBdq1S-k&t=957s (oder über Spotify zu hören).

 Das Meisterturnier ging also mit 10 Spielern als Rundenturnier in die Vollen.

In der ersten Runde spielte ich remis gegen Elias, in einer Partie, die dieselbe Variante wie gegen Kai Pappenfuß in Itzehoe beinhaltete. Der Standardplan im Königinder, mit f5 anzugreifen, war wohl kein guter gegen das g4 h4-Zeug. Obwohl ich diesmal nicht übermütig die Dame opferte, behandelte ich die Partie nicht optimal, und auch die durchgezechte Nacht meines Gegners half nicht viel. Remis zum Auftakt. Hier alle Partien auf LiChess aus Itzehoe zum Nachspielen: https://lichess.org/broadcast/3-itzehoer-schach-open/runde-2/FTj8MOhG/EsewPyZi .

Zweite Runde ging es gegen 3fachen Sieger der HEM und an Bekanntheitsgrad in Hamburg kaum zu überbietenden FM Dr. Hauke Reddmann. Er bescherte zu Freuden aller Teilnehmer zu jeder Runde einen Bericht, welche auf der Seite der HEM nochmal nachzulesen sind. Bei den letzten Begegnungen (HSK Open und Suederelbe Blitz) wurde ich kurz und schmerzvoll übel zugerichtet. Doch eine Partie konnte ich zuvor mal mit weiß beim HSK Open gewinnen. Diesmal versuchte ich es hoch konzentriert und es supersolide anzugehen. Hauke blitzte gewohnt seine Züge raus und büßte früh einen Bauern ein. Als sich die Chance dann ergab und er meinen h-Bauern nicht aufhielt, übernahm ich noch die Initiative und jagte seinen König einmal übers Brett und gewann.  Bei der Aufgabe, sprach er was von Zufallstaktik und (hoffentlich) spaßeshalber was von Metalldetektor, den er anwenden wolle.

Wie geht es dem weißen König an den Kragen?

27. …d4! (27…Sd3! ist auch ein sehr guter Zug. Der Turm hat nicht wirklich gute Felder und die Idee mit De5 und nach e4 auf die weißen schwachen Felder zu gelangen, wäre ausreichend für großen Vorteil). 28.Sxd4 Dd5+ 29.f3 h3+ 30.Kxh3 Sxf3 31.Dc6 (auf diesen Zug hatte sich mein Gegner wohl verlassen und gehofft sich ins Endspiel zu retten).

Wie geht der Angriff weiter für schwarz?

31….Sg5+ 32.Kh4 De5! Der schwarze Springer auf g5 ist Tabu da e3 mit Schach fällt, der Mattangriff oder der Verlust des weißen Springers auf d4 folgt. Weiß versuchte 33.Dc7 hier zeigt der PC schon ein Matt mit 33….Txd4+ 34.exd4 Sf3+ 35.Kh3 De2 an. In der Partie folgte aber nach 33.Dc7 Td6 34.Se2 Dh8+ 35.Kxg5 Dh5+36.Kf4 Dg4+37.Ke5 Te6+ 38.Kd5 Dxe2 39.Dd8 Kg7! 40.Tc4 Dd3+ Aufgabe.

Denn wenn der König nach c5 zieht, hängt die Dame auf d8 und geht der Turm mit d4 dazwischen ist mit Db5 der König in der Mitte matt.

Purer Genuss gegen einen FM mit schwarz so zu gewinnen. Leider wirkte Hauke danach für paar Runden etwas benommen, sodass er in der nächsten Runde in einer ausgeglichenen Stellung z.B. aufgab (hat er das Material falsch gezählt?)

Die dritte Runde spielte ich mit Weiß gegen den Underdog Karl-Jos Mondorf. Wir spielten lange Theorie in der Nimzo-Indischen Verteidigung, wie von Nationaltrainer GM Jan Gustaffsson empfohlen. Mein Gegner tappte in die Falle mit g5.
Weiß am Zug entwickelt eine sehr starke Initative.

16.c5! Lxc5 (nach Dxc5 würde 17.Sd3 folgen nebst Lxg5 und der schwarze König steht sehr luftig und du die Figuren von schwarz kommen nicht gut ins Spielgeschehen. Der für mich logischste Versuch wäre 16…gxf4 17.cxd6 Dxd6 zu spielen, aber nach Td1(egal welcher) gefolgt von Td4 säße weiß am längeren Hebel. Zurück zur Partie. 16.c5 Lxc5 17.Lxg5 Le7 18.Tfd1 Sd5 19.Lh6 f5

Nahm ich das Qualitätsgebot an? 

Aber natürlich, aber nicht das auf f8!
Txd5! Th6 der letzte Versuch die Sache zu verkomplizieren. 19.Dh5 Txh6 20.Dxh6 Lf8 21.Dg5+ Kh8 22. Td8 und mein Gegner gab auf.

Nach 3 Runden übernahm ich erstmal die Turnierführung. Da CM Birger Wenzel gegen Arne und Christoph gewann, der einen schlechten Start ins Turnier hatte und Robin gegen Birger gewann, aber dafür gegen Franz Jürgen Schell verlor. Nach dem furiosen Start war klar, dass in jeder Partie gekämpft werden muss, und alle redeten sich ein, jeden besiegen zu können. In der vierten Runde wurde ich dann vom Thron gestoßen, da ich wieder gegen Robin in der Variante, wie gegen FM Christoph Kubercyzk beim Grenke Chess in der ersten Runde, sang und klanglos verlor…In der fünften Runde ging es gegen Christoph Schroeder. Unsere dritte Begegnung derweil (man spielt ja auch irgendwie immer gegen die gleichen). Es entwickelte sich eine spannende strategische Partie, welche eventuell etwas verfrüht im Remis mündete.  Mittlerweile führte Birger. Nächste Runde ging es gegen Franz Jürgen Schell. Es entwickelte sich ein Benoni mit vertauschten Farben, aber dafür mit Mehrtempo. Die Partie hielt sich relativ im Ausgleich und so wurde sich im Schwerfigurenendspiel auf Remis geeinigt. Hauke gewann gegen Birger. Das letzte Drittel begann. Arne und Robin führten, Birger und ich hatten noch Außenseiterchancen, müssten aber dafür die letzten 3 Runden gewinnen und spielten gegeneinander. Kurz nach der Eröffnung unterschätzte ich einen trivial angedeuteten Plan von Birger und er übernahm die Initiative und Kontrolle. Doch sie weilte nur kurz, denn nach diesem Angriff auf den Springer, spielte er den natürlich aussehenden Zug.

26…Sc6? (besser wäre Da8 oder Ta8) 27.cxd6 Lxd4? 28.Dxc6 Lxb2 29.Dxd5 exd5 30.dxc7 Tbc8 31.Tc6! und ich landete in einem gewonnenen Endspiel.

Vorletzte Runde ging es gegen den aufstrebenden jugendlichen Zion, welcher in Itzehoe erst gerade die 2000 Marke geknackt hatte. Auch sein Bruder und seine Mutter spielten erst kürzlich gegen unsere zweite Mannschaft https://schachgruppesuederelbe.de/2024/06/01/tv-fischbek-ii-vs-hsk-ix-62/. Nach harmloser Eröffnung und spannendem Mittelspiel und Chancen auf Vorteil für beide Seiten, endete die Partie in einem Läufer Turm gegen Springer Turm Endspiel mit Minusbauer für mich. Nach paar weiteren Zügen nahm ich das Remis Angebot meines Gegners dankend an, da nur dieser besser stehen konnte. Es ging in die letzte Runde mit 5 Punkten gegen Arne welcher 6 Punkte hatte, genau wie Robin auch. Vor der Runde wurde noch groß angekündigt, dass bei Punktgleichheit nach Sonnenborn-Berger Wertung entschieden wird, was sich dann wohl nach einem Blick in die Turnierordnung und älteren Ausschreibungen als falsch herausstellte. Robin gewann schnell gegen seinen Gegner eine Qualität und brachte seinen Sieg nach langem Kampf ungefährdet nach Hause. So musste Arne auch gewinnen, um ein Tiebreak (bei Punktgleichheit wird nämlich geblitzt!) gegen Robin zu erreichen.

Arne Bracker vs Marco Rolf

Mit Se7?! leitete ich das sonst so gewohnte Chaos ein. Die Partie mündete nach 19.Sxe6 Sf5 20.Sxf8 Sxe3 21.Sd7 Lc3 22.Dg3 Sxf1 23.Kxf1 e3 24.Td3?! La6 25.Txc3 Lxe2 26.Kxe2 Txc8 27.Dxe3 Dxc2 in einem Damenendspiel mit Bauer mehr für Arne.  Es war die letzte Partie, so häuften sich die Kiebitze. In folgender Stellung nach De3 übersah mein Gegner wohl folgenden Trick. Schwarz am Zug greift ein letztes Mal tief in die Trickkiste.

43…h4+! 44.Kf2 Dxf4+ 45.Dxf4+ Kxf4
(44.Kxh4?? g5+ mit forciertem Damengewinn/Matt)

Somit ging das Damenendspiel in eine Bauernendspiel über, welches in einem Damenendspiel mit beidseitigem h-Bauern endete. Mit Applaus konnten die Vorbereitung der vollständigen Siegerehrung beginnen. Birger verlor die letzte Runde noch gegen Zion, sodass ich den dritten Platz mit 5,5/9 belegte. Zum Vergleich, letztes Jahr erreichte Jakob mit der gleichen Punkteausbeute (andere Gegnerschaft) abgeschlagen auf den fünften Platz https://schachgruppesuederelbe.de/2023/06/06/bericht-hamburger-einzelmeisterschaft-2023/, was eventuell für ein ausgeglichenes Niveau dieses Jahr spricht. Der Sieger des letzten Jahres Arne Bracker wurde mit 6/9 zweiter und den glorreichen Platz (anstelle des undankbaren sechsten in Itzehoe) der Hamburger Einzelmeisterschaft 2024 ergatterte Robin Keyser vom SKJE. Herzlichen Glückwunsch!

Endstand:

RangTeilnehmerTitelTWZVerein/OrtSRVPunkteSoBer
1Keyser,Robin 2199SK Johanneum Eppendorf6217.029.25
2Bracker,Arne 2294Hamburger SK von 18305316.525.00
3Rolf,Marco 2051TV Fischbek Suederelbe3515.521.25
4Wenzel,BirgerCM2055SK Johanneum Eppendorf5045.019.50
5Malchereck, Zion 1968Hamburger SK von 18302524.519.25
6Schroeder,Christo 2183SK Johanneum Eppendorf1624.016.75
7Mandelkow,Elias 1870Hamburger SK von 18303244.013.50
8Schell, Franz Jür 1996Bramfelder SK2343.517.00
9Reddmann,Hauke,DrFM2131SK Wilhelmsburg3153.512.00
10Mondorf,Karl-Jose 1849Volksdorfer SK 0361.56.00

DWZ-Auswertung:

NameDWZ altWeLstg.DWZ neuDiff.
Bracker, Arne 2294 – 1477.31622022277 – 148-17
Keyser, Robin 2199 – 1056.33922712213 – 10614
Schroeder, Christoph 2150 – 1295.77519892114 – 130-36
Reddmann, Hauke 2124 – 3815.46019462084 – 382-40
Wenzel, Birger 2052 – 1684.57120912061 – 1699
Rolf, Marco 2039 – 1434.40821392061 – 14422
Malchereck, Zion 2001 –  793.93520522016 –  8015
Schell, Franz Jürgen 1927 –  203.04219711937 –  2110
Mandelkow, Elias 1878 –  802.49020221926 –  8148
Mondorf, Karl-Josef 1796 –  271.66417741792 –  28-4

Das Kandidatenturnier zur HEM gewann souverän mit 1,5 Punkten Abstand Ero Sell (8/9) aus Blankenese.

Sieger der Gruppe A wurde Anton Kellner mit 6/7 und in der Gruppe B Moustafa Wereida (6.5/7).

Alle weiteren Informationen findet ihr unter https://www.hamburger-schachverband.de/

Bis zum nächsten Turnier!

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