TV Fischbek II vs. HSK IX 6:2

„Ohne acht, Spiel null“.

Duelle gegen Mannschaften des HSK bleiben vielen Schachspielerinnen und Schachspielern kaum in Erinnerung – es gibt schlicht und ergreifend zu viele Mannschaften aus Eilbek. Für gewöhnlich trifft man bei den Hamburger Mannschaftsmeisterschaften in jeder Saison auf eine oder zwei Mannschaften des HSK. Mitunter besteht eine Liga sogar aus drei Mannschaften dieses Klubs. Sicherlich ist dies kein Problem des HSK, sondern vielmehr ein Problem der sportlichen Konkurrenz aus Hamburg, hier für attraktive Alternativangebote zu sorgen. Überspitzt formuliert: Der Erfolg des HSK ist der Misserfolg der anderen Klubs. Als ein Spieler, der gerade seine einhundertste Turnierauswertung zu verzeichnen hatte und Zeit seines Lebens ausschließlich in den Niederungen der Bezirks- oder Kreisliga unterwegs war, stellen sich die Spiele gegen den HSK als schachliche Routineveranstaltungen dar. Aber was macht denn die Mannschaftskämpfe gegen den HSK unterscheidbar? Abgesehen von HSK-eigenen Etikettierungen wie „weißes Ballett“ oder „HSK XI“ bleibt eigentlich nichts im Gedächtnis verhaftet. Natürlich sind einem im Verlaufe der Jahre viele Spielerinnen und Spieler des HSK bekannt. Profilierte Persönlichkeiten: ja. Profilierte Mannschaften: nein. Kritisieren will ich damit nichts – überhaupt nichts. Für mich ist das lediglich eine vollkommen wertfreie Zustandsbeschreibung. Und doch gibt es auf der Ebene unterer Ligen Mannschaftskämpfe gegen den HSK, die unvergesslich bleiben werden. Gleich zwei davon trugen sich in der sechsten und siebten Runde der Bezirksliga A zu.

Über das Drama in der sechsten Runde gegen HSK X (3,5 zu 4,5) hat sich Denis Schermer bereits sehr ausführlich geäußert. Insofern erspare ich mir an dieser Stelle etwaige Wiederholungen. Wer hier noch etwas nachlesen möchte, braucht bloß ein paar Artikel zurückscrollen. Nur so viel: Der Schock sitzt allen beteiligten Fischbekern noch immer in den Knochen.

Nun also das Heimspiel gegen HSK IX. Unsere Ausgangslage vor diesem Mannschaftskampf war bereits prekär. Mit lediglich zwei Mannschaftspunkten saßen wir tief im Tabellenkeller auf einem Abstiegsplatz fest – Platz acht von neun Mannschaften. Mit HSK IX erwarteten wir zudem die nominell stärkere der beiden HSK-Mannschaften. In Anbetracht des Umstandes, dass wir in den letzten beiden Runden mit Diogenes IV und den Schachelschweinen auch noch richtig starke Gegner vor der Brust haben, war allen klar, dass dies heute bereits der Sargnagel für den Bezirksligaabschied werden könnte. Mit einem DWZ-Schnitt der Stammmannschaft von 1824 Punkten reihte sich HSK IX hinter dem eigentlichen Turnierfavoriten aus Marmstorf auf Platz 2 ein. So viel zu den Fakten. Aber HSK bedeutet immer auch Wundertüte. Zumindest in den unteren Ligen kann es durchaus einmal passieren, dass man sich in der Kreisliga oder gar Kreisklasse mit einem veritablen Ober- oder Zweitligaspieler duellieren darf. Der HSK kann schließlich aus einem schier unerschöpflichen Pool von Ersatzspielern jeglicher Güte schöpfen. Ich erinnere mich immer wieder daran, dass sich vor einigen Jahren in der Kreisliga oder -klasse unser früherer Schachfreund Tamim Dawran Felix Meißner gegenüber sah. Der DWZ-Unterschied betrug damals rund 1400 (!) Punkte. Pfeil und Bogen gegen Mehrfachraketenwerfer. Ein ähnliches Szenario befürchteten wir gestern auch, sollte der HSX den einen oder anderen Ersatzspieler zum Einsatz bringen müssen. Und tatsächlich, der HSK benötigte gestern Ersatzspieler. Sogar ganz viele Ersatzspieler. Genau genommen benötigte der HSK eine komplett neue Mannschaft. An Brett 1 duellierte sich Denis mit Romeo Malcherek (DWZ 1599), der mit der Ranglistennummer 89 gemeldet war und damit faktisch als erster Ersatzspieler der Mannschaft auftrat.

Die komplette Stammmannschaft von HSK IX war nicht am Start! Unglaublich. Immerhin brachte man an Brett 2 mit Alexander Borgert einen Spieler mit einer respektablen DWZ von 1730 an den Start, aber dahinter klaffte bereits eine größere Lücke zum nächststärkeren Spieler an Brett 6, Chad Smith (DWZ 1576). Meine Gegnerin an Brett 7, Senait Mehari, und Jörg Schwarzkopfs Gegner an Brett 8, Malte Lüddecke, verfügten noch nicht einmal über eine DWZ. Dementsprechend schnell endeten hier auch die Partien. Bevor Hubert Kopyto nach einer Stunde seinen kampflosen Punkt an Brett 4 einstreichen konnte, prangte schon Jörgs „1“ auf dem Spielberichtsbogen. Platz 3 in diesem „Windhundrennen“ belegte schließlich ich.

Dass wir diesen Mannschaftskampf gewinnen würden, zeichnete sich schnell ab. Lediglich unser Käpt`n Dirk Thomzik stand auf Verlust. Matthias Luckhardt stand solide und bequem, Jannis Niemann stand sehr solide und sehr bequem. Irgendwo in dieser angedeuteten „Wohlfühlskala“ konnte sich auch Philip Reichhardt einordnen, der mit seinem Läuferpaar die gegnerischen im Zaum hielt. Auch bei Denis war im Prinzip alles im Lot. Pessimisten hätten zu diesem Zeitpunkt auf ein 5 zu 3, Optimisten auf ein 7 zu 1 getippt. Caissa vermochte sich wohl nicht entscheiden, welcher Gruppe sie letztlich eine Präferenz einräumen wollte und beendet den Mannschaftskampf salomonisch mit 6 zu 2 zu unseren Gunsten. Dabei war das Zustandekommen des Ergebnisses durchaus noch sehr bemerkenswert. Erst gelang es Dirk, seine vermurkste Stellung umzubiegen und durch einen fulminanten Königsangriff zu seinen Gunsten zu beenden. Dann finalisierte Matthias seine konsequent vorgetragene Partie und sicherte uns mit seinem Sieg beide Mannschaftspunkte. Aber dann… Jannis hatte eine tolle, perspektivreiche Stellung leider in das komplette Gegenteil verwandelt. Der Ehrenpunkt für HSK IX. Aus dem Ehrenpunkt wurden dann sogar Ehrenpunkte. Denis war leider vollkommen außer Form und lud seinen Gegner förmlich dazu ein, die Partie zu gewinnen. Negativer Höhepunkt: das einzügige Einstellen der Dame in einer vermutlich schon kaputten Stellung. Philip betrieb dagegen eine erfolgreiche Traumabewältigung. Mit dem Gedanken an das Drama aus der Vorrunde im Kopf spielte er betont sachlich und nüchtern sein Spiel herunter. Nicht nochmal im gewonnen Endspiel mattsetzen lassen. In beiderseitiger Zeitnot ließ er nichts anbrennen und rundete mit seinem Sieg den Mannschaftserfolg ab. HSK IX mit ihrer sehr sympathischen und engagierten Mannschaftsführerin darf aber das 2:6 durchaus als kleinen Erfolg verbuchen. immerhin betrug der Wertungsunterschied im Durchschnitt fast 280 Punkte zu unseren Gunsten.

Das 6 zu 2 hievte uns vorerst auf Platz 6 in der Tabelle. Trotzdem ist noch nichts gewonnen. In den Begegnungen gegen Diogenes IV und den Schachelschweinen werden wir noch ordentlich arbeiten müssen, um Platz 6 (oder 7) zu verteidigen. Geschenkt wird einem nichts – wenn man mal von der Mannschaftsaufstellung unseres gestrigen Gegners absieht.

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