Ein voller Abend beim HSK. Neben einem weiteren Spiel aus der Bezirksliga A waren unsere Kumpels von Fischbek IV (Kreisklasse A) ebenfalls da und so konnten wir quasi gegenseitig kibitzen.
Nun in der sechsten Runde kamen wir gegen den derzeitigen Spitzenreiter der Bezirksliga A. Für mich persönlich war es interessant, welche Spieler an Brett 7 und 8 beim HSK eingesetzt wurden. Und es gab eine Überraschung für mich, keine 2.000er und 2.100er Spieler wurden aus dem unerschöpflichen Repertoire des HSK gezogen. Das gleiche Glück hatte Manfred Ottow mit Fischbek IV nicht. Hier wurde an Brett 8 ein 1.900er eingesetzt (Schon cool in der Kreisklasse solch einen Spieler zu haben.), gegen unseren Danny Schitjagin (neu, keine Wertungszahl). Der Fischbeker Spieler gewann. Und damit gebe ich rüber zur zweiten Fischbeker Mannschaft.
Unser Joker Matthias Luckhardt konnte am Match nicht teilnehmen. Oft fallen Spieler wegen einer Adduktorenverletzung aus – diese lag jedoch nicht vor (Indes sollten wir am Ende wieder einmal auf den Spuren eines erfolglosen Fußballvereins der zweiten Division wandeln.). Als Ersatzspieler wählte der Mannschaftsführer Dirk Thomzik die defensive Variante mit Jörg Schwarzkopf.
HSK X übrigens vorne in stärkster Besetzung. Besonders Brett Eins beeindruckte mit einem DWZ-Live-Zuwachs von 106 Punkten in der laufenden Saison.
Leider habe ich an diesem Abend viele Partien nur bruchstückhaft gesehen. Ich kann berichten, dass Andreas Wanke seinem Lieblingsspiel nachging, indem er direkt den gegnerischen König angriff und dafür seine Königsflügelbauern nach vorne peitschte. Das war auch gut gespielt und erfolgreich, auch wenn man anmerken muss, dass der Gegner spielstärketechnisch nicht mithalten konnte.
In an attack on the flank it is important to restrict counterplay in the center.
(GM Boris Gulko)
Meine Aufmerksamkeit galt dann der Partie von Hubert Kopyto. Sein Gegner spielte wie üblich eine exzentrische Eröffnung. Allerdings ziemlich erfolglos, denn Hubert spielte einfach und strukturiert und rochierte gnadenlos lang und ging damit „all in“. Im Ergebnis: voller Angriff für Hubert, kein Gegenspiel für den HSKler.
Playing actively, we have to keep in mind two ideas: 1) creating threats; and 2) improving the position of your pieces.
(GM Boris Gulko)
Und so konnte Hubert im Mittelspiel einfach Material gewinnen, machte es dann sich im Endspiel vielleicht etwas schwer, aber der Sieg für ihn und Fischbek „was never in doubt“.
Jannis Niemann wiederum spielte streng positionell, unterschätzte dann aber die gegnerischen Möglichkeiten. Irgendwann schien mir die Stellung für HSK gewonnen (nicht abzuwehrender Mattangriff), aber die Partie endete Remis.
Leider driftete es dann in der Partie von Dirk Thomzik weg. Eigentlich gut aus der Eröffnung gekommen, entwickelte sich ein munteres Figurenspiel ohne Zentrum. Also, hier war es schwer, etwas Konkretes zu erreichen. In der Betriebssportliga werden solche Stellungen zumeist sehr schnell Remis gegeben. Aber dann beging der Gegner von Dirk eine grobe Ungenauigkeit, Dirk sah den Zug und… zog ihn nicht. Blackout der Erste – er hatte die Möglichkeit, das Läuferpaar zu erhalten und gleichzeitig dem Gegner einen miesen Doppelbauer plus Isolani zu verpassen.
The bishop pair is stronger against bishop and knight than it is against two knights because two knights can coordinate better than knight and bishop.
(GM Boris Gulko)
Blackout die Zweite war dann ein Dameneinsteller, wo Dirk die Qualität geben musste, um die Dame zu retten. HSK verbuchte einen geschenkten Punkt.
Ehrgeizig spielte Bodo Wichert auf, immer im Versuch, positionell die Oberhand zu gewinnen, mühte er sich. Das blieb allerdings erfolglos und im Gegenteil, konnte sein Gegner nun die Stellung für sich entscheiden.
Nahezu das Gleiche möchte ich zur Partie von Jörg Schwarzkopf sagen. Hier waren die Bewertungen der Anwesenden nicht einheitlich. Am Ende war es dann klar, der HSK holte den nächsten Punkt.
Die Partie des Abends spielte indes Philip Reichhardt. Und was für eine epische Partie es war, über die noch nach Jahren erzählt werden wird (und Lieder gesungen). Hier wurde es in mehreren Punkten surreal. Das Schlimmste für mich war, dass man der Spielerin nach Beendigung zum Sieg (Partie?) herzlich gratulierte – doch wofür eigentlich? Die Gegnerin von Philip spielte… passiv, entwickelte längere Zeit nicht ihren Damenflügel (Rüge vom HSK-Trainer?) und wurde von DWZ-167-Punkte-weniger einfach überspielt. Philip griff ungewöhnlicherweise an beiden Flügeln an und hatte damit Erfolg. Durch das schlechte Zeitmanagement schaffte die HSK-Spielerin mit einer Restsekunde gerade so die erste Zeitkontrolle.
After obtaining open files and controlling weak squares, the next stage has to be penetration into the enemy camp.
(GM Boris Gulko)
So lief die Partie und Philip hatte ein objektiv gewonnenes Endspiel. Die Gegnerin überlegte weiter sehr lange und ihre Uhr stoppte bei 7 Sekunden zur zweiten und letzten Zeitkontrolle. Also sagen wir einmal, Philip macht noch sieben Züge (Schachgebote mit dem Turm oder zieht seinen Freibauer nach vorne), dann gewinnt Fischbek 4,5 zu 3,5. Ob es nun eine plötzlich auftretende Singularität, ein Tachyonen-Strahl oder doch ein persönlicher Eingriff von Caissa war, werden wir nie erfahren. Philip blunderte und setzte sich selbst matt. Es herrschte völlige Verwirrung im Raume. Beeindruckt war ich von der Ruhe und Selbstbeherrschung von Philip – neben seiner eigentlich guten Partie nötigt mir das eine Menge Respekt ab.
So also verliert Fischbek II erneut und war dem Sieg doch eigentlich sehr nahe. Im Fußball würde man sagen, wir spielen wie ein Vorletzter: Trotz erheblicher Bemühungen und Zwischenerfolgen bleiben null Punkte. Aber Fischbek gewann trotzdem an dem Abend, also die vierte Mannschaft von Manfred Ottow. Immerhin das können wir vorweisen („Basta“).
Oh, the years burn
Oh, the years burn
Burn, burn
(Disarm – The Smashing Pumpkins)
Ein Königreich für einen Duden. Was für einen Blödsinn hat der Kommentator in seinem letzten Satz da bloß fabriziert….tztztz. Dem sein Deutsch war früher auch schon mal besser gewesen sein.
Dass sich dieser denkwürdige Spieltag in das kollektive Fischbeker Gedächtnis eingegraben haben dürfte, wird erst aus der Gesamtbetrachtung beider Mannschaftskämpfe deutlich. Nüchtern betrachtet, rechtfertigen die beiden Endergebnisse von 4,5 zu 3,5 und 3,5 zu 4,5 eigentlich keine besondere, über das Wochenende hinaus anhaltende Erwähnung. Aber wie so oft ist es die Dramaturgie, die wie ein Widerhaken verhindert, dass die Mannschaftskämpfe vom 26. April 2024 dem Vergessen anheimfallen.
In beiden Mannschaftskämpfen stand es Spitz auf Knopf. Im Duell unserer Vierten gegen HSK XXIII stand es 4:3 für uns, während im Kampf der Zweiten gegen HSK X rechnerisch noch alles möglich war: hier stand es 3,5 zu 3,5 bei einer offenen Partie an Brett 2. Derweil zeichnete sich an Brett 4 in der Partie von Bernd Grube gegen Michael Botzet ein wahres Drama ab. Bernd erreichte eine gewonnene Endspielstellung mit zwei kerngesunden Mehrbauern und Mannschaftsführer Manfred Ottow durfte insgeheim zwei Mannschaftspunkte auf der Habenseite verbuchen. Wenig verwunderlich, dass die Partie von Philip Reichhardt gegen Stefanie Scognamiglio nahezu die komplette Aufmerksamkeit aller Anwesenden absorbierte. Insofern war es fast ein Schock ein paar Momente später beim Schlendern in die andere Ecke des Turniersaals zu sehen, dass Bernd nicht nur einer der beiden Mehrbauern abhanden gekommen war, sondern seine drei verbliebenen Restbauern formierten sich in der Zwischenzeit auch noch zu einer veritablen Ruine. Einem schachlichen Klugscheißer wie mir war sofort klar, dass damit der Traum vom Mannschaftserfolg unserer Vierten geplatzt sein musste.
Ok, die Musik spielte aber an Brett 2 meiner Mannschaft. Hier zeichnete sich mittlerweile ein überraschender Erfolg unserer Mannschaft ab. Philip stand auf Gewinn und seine Gegnerin litt zudem unter horrender Zeitnot. Schon mal alles klar machen für die „Becker-Faust“.
Am anderen Ende des Turniersaals kam derweil leichte Unruhe auf. Die Partie an Brett 4 war soeben beendet worden. Irritierend war für mich, dass die Mimik beider Kontrahenten so überhaupt nicht zu dem von allen erwarteten Spielausgang passen wollte. Bernd grinste im Kreis, während es ihm sein Gegner nicht gleichtun wollte. Konnte er auch nicht, weil die Partie zum Erstaunen aller remis endete. Damit gewann unsere Vierte ihren Mannschaftskampf, der doch eigentlich schon verloren war.
Überraschende Wendungen sollten den Abend prägen. Wie wir brutal erleben mussten, hält das Leben – manche meinen auch Caissa – stets beide Sorten von Überraschungen parat: Die angenehmen und die unangenehmen. Philip ließ sich unter den Augen der verbliebenden Wettkampfteilnehmer in Gewinnstellung aus dem Nichts einfach Matt setzen. Dass sich beides aber in dieser zeitlichen Dichte zutragen sollte, war extrem bitter und extrem süß zugleich. Welches Merkmal letzten Endes auf den Abend des 26. April 2024 zutrifft, dürfte aus Fischbeker als auch aus Eilbeker Sicht ganz bestimmt sehr unterschiedlich beurteilt werden sein (seufz…).