Oberliga Runde 9 : SK Norderstedt – Fischbek 5,5:2,5 – Zweitliga-Feeling zum Abschluss

Ein (vorerst) letztes Mal Oberliga – und noch einmal all-In gehen !

Viele Schachspieler pokern auch gerne. Geht es dir als Leser auch so ? Nun ja, die Spiele ähneln sich ja auch ein wenig. In beiden Spielen gibt es Könige und Damen. Beides fordert eine Affinität zur Mathematik. Beides verlangt von den Spielern aber auch eine ständige Beurteilung der aktuellen Lage – und erlaubt verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen.

Sollte ich besser erstmal abwarten oder direkt angreifen ?  Kann ich bluffen und so tun, als wäre mein Angriff schneller als der des Gegners ? Nehme ich das volle Risiko und gehe all-in ? Ohne voll und ganz zu wissen, ob es wirklich reicht ?

Am Sonntag war unser (vorerst) letztes Spiel in der Oberliga Nord Nord. Unser Abstieg war bereits besiegelt und zum krönenden Abschluss durften wir beim vermeintlich stärksten Team der Liga antreten – dem SK Norderstedt, zugleich der letztjährige Absteiger aus der 2. Bundesliga. Sie hätten gut und gerne mit 8 Titelträgern antreten können. Unseren einzigen FM Christoph Serrer mussten wir leider zu Hause lassen und reisten komplett ohne Titelträger, dafür aber mit viel Lust auf ein schönes Spiel an.

Die Partien als .pgn-Datei gibt es übrigens hier : https://ergebnisdienst.schachbund.de/pgn/olnn2324.pgn?v=1714690004 (enthält alle Partien der Oberliga Saison)

Gleich zu Beginn überraschte ich meinen Gegner ein wenig, da ich mit 1.d4 eröffnete (hätte Denis das nur live sehen können… ich hätte gerne sein Gesicht gesehen 😊). Jedenfalls dachte mein Gegenüber in der Eröffnung länger nach, somit machte ich mich auf meine erste Runde durch den Spielsaal.

Bei Thomas blieb ich ruckartig stehen, denn da war schon nach 5 Zügen deutlich : Thomas ging ALL-IN !

FM Michna – Thomas Peters; Stellung nach 5…h5

Einerseits war ich beeindruckt von dem Mut und der Entschlossenheit, die Thomas an den Tat legte. Andererseits war das brandgefährlich und könnte evtl. schnell kippen…

Zwei Bretter weiter vorne hatte Carina ebenfalls die schwarzen Steine. Und auch da ging es früh zur Sache.

Hovhannisyan – Carina Brandt, Stellung nach 19…Sc4

Weiß am Zug spielte hier 20. Sxe6 und nach fxe6 21.Dxe6 Dd6 22. De2 Sxb2 war es ein Spiel mit komplett offenem Ausgang. ALL-IN auf beiden Seiten !

Stellung nach 22…Sxb2

Wieder am Brett angekommen, konnte ich nebenbei die Partie von Jakob aus nächster Nähe beobachten. Jakob spielte mit schwarz den gleichen Aufbau wie ich mit weiß (Londoner / Colle System). An einer Stelle gab Jakob im Zentrum einen Bauern durch den Zug e6-e5.

IM Kopylov – Jakob Kneip, Stellung nach 11…e6-e5

Doch der Mehrbauer zahlt sich für Weiß nicht wirklich aus. Weiß ist nicht gut entwickelt und nach dem Damentausch verflacht das Spiel doch sehr. Der gegnerische IM gab zu verstehen, dass er seinem eigenem Blatt den Sieg nicht mehr zutraute und bot Remis an. Das nahm Jakob gerne an und krönte damit seine fantastische Saison mit 6/9 Punkten gegen einen Gegnerschnitt von 2252 !

Wir gingen auf die Zeitkontrolle zu und Marco stand vor einer Entscheidung, die den Partieverlauf stark beeinflussen sollte.

Marco Rolf – FM Meyer, Stellung nach 22…Txc5

Marco nahm hier mit dem Bauern zurück, statt mit dem Turm. Das ist auch deutlich stärker, denn der Bauer rückt vor und macht den Weg frei für den Nachschub.

Schwarz schaffte es, den Bauern auf c7 einzukassieren, doch jetzt folgt der letzte Zug der Partie : 30.Tc6 ! 1-0

Währenddessen kam es auch am Brett von David zu einer Entscheidung.

David Serrer – Parvanyan, Stellung nach 24.Sd2

Die erfahrenen Schachspieler erkennen wahrscheinlich, dass hier das Wolga Gambit gespielt wurde. David hat den Mehrbauern bislang gut verteidigt und die Stellung ist ausgeglichen. Schwarz traf nun die Entscheidung, den Läufer gegen den Springer zu tauschen und konnte nach einigen weiteren Zügen Bauer um Bauer gewinnen. David spielte auf Risiko und suchte mit offensiven Zügen nach Gegenspiel. Das wurde diesmal nicht belohnt.

Stellung nach 34…Txf2 – gegen so viele Bauern ist Weiß machtlos.

Thomas war nach dem Sturmlauf in der Eröffnung mit dem König in der Mitte geblieben und hatte Mühe, die anhaltenden Drohungen von Weiß abzuwehren. Mit Hilfe eines Bauernopfers verschaffte er sich etwas Luft, doch der Norderstedter Mannschaftsführer wusste den entstandenen Raum auszunutzen. Ohne Bluff und mit offenen Karten nahm er die schwarze Festung ein und ergabelte sich zum Schluss die Dame – 1,5:2,5 aus unserer Sicht.

Zurück zu Carina. Typisch für Carina suchte sie ihre Chancen im Angriff und drang bis zum König durch. Doch der weiße Angriff in der Brettmitte war zu schnell und zu stark. Nur mit einem Springeropfer konnte sie ihre Dame zur Rettung zurückholen. Doch die Türme auf der 7.Reihe, in Zusammenarbeit mit dem Freibauern auf der g-Linie setzten sich durch. Da hätte auch kein verstecktes Ass im Ärmel mehr geholfen.

Stellung nach 35.Tdd7 – Das Matt konnte noch verhindert werden. Aber am Ende lief der g-Bauer zur Dame.

1,5:3,5, doch noch gab es ja drei Partien. Und die sahen nicht chancenlos aus.

Jörg vertrat Christoph und gab damit sein Oberliga-Debüt. Und da sitzt man auch an Brett 8 noch einem 2100er gegenüber. Doch Jörg ließ sich davon nicht beeindrucken und spielte mit schwarz offensiv und aufgeklapptem Visier. In der Zeitnotphase gelangte Jörg dann in das Hinterland der weißen Basis und sorgte mit vielen Drohungen für mächtig Wirbel.

Bohnsack – Jörg Schwarzkopf, Stellung nach 39…Dd1

Sein Gegenüber schaffte es aber zu überleben und tauschte schließlich in ein Damenendspiel ab. Die sind traditionell sehr schwer zu gewinnen, da es oft zu Dauerschachs kommen kann. Das war auch in diesem Fall so – ergo ging die Partie remis aus.

Bei Alexander hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass ich die Stellung im Vorbeigehen begriffen habe.

Alexander Schneider – FM Zierke, Stellung nach 29.Sd1

An dieser Stelle entschied sich Schwarz, nicht auf d5 zu schlagen, sondern mit 29…Sf8 den Turm anzugreifen. Nach 30. dxc6 Sxh7 31.Lxh7 hatte Alex erstmal zwei Springer gegen Turm. Aber stand er nun gut oder eher nicht ? Ohne Engine schwer zu sagen.

Doch vielleicht auch aufgrund des Spielstands ging Alex in die Vollen – ALL-IN ! Fischbeker Kampfschach ! Alles oder nichts ! Die Praxis zeigte dann aber, dass der Turm ziemlich gut darin ist, einen Bauern auf dem Weg zur Umwandlung zu unterstützen. Und die Springer nicht schnell genug sind, um das ganze Brett zu beherrschen. 0-1 hieß es am Ende.

Zu guter Letzt bleibt meine eigene Partie übrig. Wie zuvor erwähnt hatte ich meinen Gegner in der Eröffnung zum Grübeln gebracht – in der Folge entstand ein zweischneidiger Kampf auf beiden Flügeln, der in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern plus Turm und Bauern mündete. Auch ich entschied mich bei den Kandidatenzügen immer für das Risiko und spielte bis zum Schluss auf den vollen Punkt.

Jürgen de Voogt – IM Ostovskij, Stellung nach 50.Txg4

Nachdem ich mit meinem Läufer die beiden Freibauern auf dem Königsflügel eliminieren konnte, fühlte ich mich sicher. Verlieren würde ich die Partie nicht mehr, vielleicht bringe ich aber einen der Bauern durch. Dazu schnitt ich nach 49. Lxg4 hxg4 50.Txg4+ Kf8 mit 51.Te4 den schwarzen König von der linken Bretthälfte ab. Der Turmtausch würde nur mir helfen. Also spielte Schwarz mit den Figuren um meine Bauern herum.Am Ende fand ich keinen Gewinnweg (Die Engine stimmt mir hier zu) und ich bot remis an, was vom Norderstedter IM akzeptiert wurde.

Endstand : 2,5:5,5 gegen den Tabellenzweiten.

Fazit

Die Saison in der Oberliga hat uns gezeigt, dass…

  • wir definitiv besser waren als vom Liga-Orakel prophezeit
  • ein dauerhafter Verbleib in der Oberliga (noch) zu hoch gegriffen wäre
  • als Team weiter zusammengewachsen sind
  • Jakob mit 6/9 definitiv Oberliga-Niveau drauf hat ! Genauer gesagt hat Jakob sogar den meisten Zuwachs an DWZ-Punkten in der gesamten Liga geholt !
  • außer Jakob nur Christoph über 50% holen konnte. Aber gut, die zu erwartetenden Punkte pro Spieler waren bei allen unter 50%
  • wir wie im Vorjahr als Einheit aufgetreten sind
  • hatte ich schon erwähnt, dass uns das Liga Orakel deutlich weniger zugetraut hatte ? 😊

…und falls man uns lässt, würden wir sicher gerne wiederkommen.

In der nächsten Saison wartet aber erstmal eine Landesliga-Saison auf uns, die es in sich haben wird. Realistischerweise sollten wir uns zunächst auf den Nichtabstieg konzentrieren, bevor wir uns mit einem möglichen Wiederaufstieg beschäftigen.

Aber wenn es die Chance gibt, gehen wir ALL-IN ! 😊

Ein großes Dankeschön in meiner Form als Mannschaftsführer geht an die gesamte Mannschaft ! Ihr habt es mir in dieser Funktion wieder sehr leicht gemacht und für eine tolle Atmosphäre gesorgt – trotz der wenigen Erfolgsmomente als Team.

Wenn wir hingefallen sind, sind wir auch immer gemeinsam wieder aufgestanden, das ist nicht selbstverständlich. Ich freue mich auf die nächste Spielzeit !

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