World Chess Rapid and Blitz Championship 2015 in Berlin

Man muss schon bis in das Jahr 2008 zurückgehen, um ein bedeutendes Schachturnier in Deutschland zu erleben. So finden die meisten Turniere schlichtweg nicht bei uns in Deutschland statt, ganz zu schweigen von offiziellen oder bedeutenden Turnieren. So waren wir auch quasi aus dem Häuschen, als bekannt wurde, dass die Weltmeisterschaft im Schnell- und Blitzschach in Berlin ausgetragen wird. Schnell fand sich eine Gruppe Schachbegeisterter, welche sofort die Planungen aufnahm und ich, der täglich auf der offiziellen Website nachschaute, wann und wie man Eintrittskarten erwerben kann. Man muss an dieser Stelle anführen, dass die Website nicht wirklich viel Informationen hergab. Oftmals musste man diese mit den Daten des Deutschen Schachbundes vergleichen, um ein gewisses Informationskonstrukt zu erlangen. Auch wurden die Ticketbuchungen nicht am angkündigten Tag freigeschaltet. Es herrschte daher bei uns eine gewisse Unruhe, Unwissheit und Unsicherheit. Nur eine Woche vorher konnte ich letztlich die Eintrittskarten erwerben und die Fischbeker Leute fuhren los. Dies waren Andreas Wanke, Christoph Serrer, David Serrer, Nikolas Egelride, meine Frau und ich.

 

Die Anreise nach Berlin war fast problemlos. Wenn nicht Straßen plötzlich enden und das Navigationsgerät durchdrehte und wir eine Vielzahl von Bussen bestaunten, welche wohl an die 150.000 Menschen zu einer Großdemonstration in die Hauptstadt karrten. So bezogen wir unsere drei Hotels (wir hatten uns völlig unterschiedlich einquartiert) und während ich auf Andreas und Nikolas wartete, liefen bereits die ersten Profis an uns vorbei. Man mag sich das einmal vorstellen. Alle diese Schachspieler von denen man die Partien kennt und die Fotos in einschlägigen Magazinen erblickt, traf man live und in Farbe auf der Straße und im Turniersaal. Mich erfasste die Sammelwut und am Ende war der Zettel gut gefüllt. Das wichtigste Autogramm holte ich mir auf der Straße bei dem dunkelhaarigen Russen mit Wohnsitz in Paris und neben meinem Anliegen konnte ich ihn nur verdutzt fragen, dass ich dachte, er hätte mit dem Rauchen aufgehört. „I started again“, dann war ich wieder weg. Es war die Zeit zwischen einer Runde und ich wollte die Profis nicht groß belästigen. Schachspieler sind vor Spielen gewissermaßen immer etwas merkwürdig.

 

So betraten wir dann am Samstag um zirka 13.30 Uhr die heiligen Hallen der Bolle Meierei und mussten… warten. Tja, bis die Zuschauer reingelassen wurden, verging einige Zeit und die erste Runde der Schnellschach-WM war bereits gestartet. Zur Organisation möchte ich sagen, dass diese in Ordnung war, aber merklich vom Attribut „perfekt“ entfernt. Man erkannte schon eine gewisse Professionalität und Routine aber viele kleine Dinge blieben unbedacht. Beispielsweise gab es für die Zuschauer im Gebäude keine Möglichkeit, Getränke oder Essen zu erwerben und Andreas – seines Zeichen ein „Ich-muss-mir-ein-Schachbuch-kaufen“ – Mensch wartete vergeblich auf einen Stand eines Schachbuchhändlers. Dafür deckte er sich mit Poster/Plakat und Jute-Tasche mit Aufdruck des offiziellen Logos der Weltmeisterschaft ein.

 

Eines steht mit Sicherheit fest. Dies waren Weltmeisterschaften, die wirklich gut besucht wurden. Trotz Internetübertragung mit Kommentierung durch den Marktführer chess24.de kamen mehrere hundert Schachbegeisterte und füllten deutlich den Turniersaal – es war beeindruckend, auch wenn man zum Teil einfach Pech hatte und ob des Andrangs einigen Brettern nicht folgen konnte.

 

Die ersten vier Bretter konnte man faktisch nahezu nicht einsehen. Sie standen erhöht auf einer Bühne, merklich von den Zuschauern entfernt. Der Weltmeister (Nein, ich habe mir von ihm keine Autogramm geholt.) war immer an Brett eins gesetzt, egal wie sein Zwischenstand war. Dies war dem Umstand geschuldet, dass es diverse norwegische Sponsoren gibt und das norwegische Fernsehen sehr oft Live-Bilder einholte und dem Weltmeister Interviews abpresste. So und so ein ziemlicher Hype, über den wir glücklich sein sollten. Es war indes witzig zu sehen, wenn Herr Carlsen nahezu immer von einem Trupp Fernsehleuten nach der Beendigung der Partie verfolgt wurde. Er kann da einem auch etwas leid tun.

 

Die Planung sah vor, dass am Wochenende die ersten beiden Durchgänge der Schnellschachmeisterschaft gespielt wurde. Aus meiner Sicht gut für uns, so dass man mehr als eine Partie verfolgen konnte. Beim Blitzen hat man quasi nur die Chance eine Partie zu sehen. Nach den Medienberichten war es aber am Montag bis Mittwoch gleichfalls voll mit Zuschauern. Also ein wirklicher Erfolg für die Veranstalter und ein Zeugnis für eine gewisse Schachbegeisterung in Deutschland.

 

Im Vorwege ergab die Umfrage bei uns, dass zwei Leute für Kramnik waren, einer für Carlsen, einer für Anand und eine für Aronjan.

 

Im Spielsaal standen naturgemäß viele Menschen vor den ersten vier Brettern und das Brett von Kramnik war immer stark und am meisten frequentiert. Sicherlich hat auch Anand und Aronjan viele Fans, aber für diese beiden Weltklasse-Spieler lief es nicht gut, so dass diese zumeist weit hinten, irgendwo in der Mitte oder am Rand, saßen.

 

Im Internet findet sich eine ausführliche Berichterstattung zu den Partien und ganz viele, viele Fotos. Meine eigenen Bilder sind leider fast alle nichts geworden.

 

Fazit 1: Ein Super-Wochenende, sicherlich auch anstrengend, aber wer nicht dabei war, hat auf jeden Fall etwas verpasst.

 

Fazit 2: Viele Profis legen wert auf eine korrekte Figurenstellung. Man konnte oft beobachten, dass die Figuren nachträglich „zentriert“ wurden. Meiner Frau fiel auf, dass viele Spieler sehr elegant die Figuren ziehen. Ich denke an diesen Punkt muss ich einmal arbeiten.

 

Denis Schermer

 

2 Kommentare

  1. Berlin, Berlin…wir waren in Berlin!

    Unser Trip nach Berlin war mit so vielen verschiedenen Eindrücken angefüllt, dass es schwerfällt, die wichtigsten und interessantesten herauszustreichen. Sicherlich fällt auch die Gewichtung bei jedem von uns unterschiedlich aus. So heißt der Jäger des wichtigsten Autogramms nicht Denis, sondern…David! Keine Frage, Ex-Weltmeister Kramnik ist schon ein echtes Schwergewicht auf der nach oben offenen Promi-Skala. Der große Andrang, der permanent um sein Brett herum herrschte, unterstreicht den Status, den Kramnik noch heute bei den Schachfans genießt. Aber das Highlight war für mich die Begegnung mit einem anderen Ex-Weltmeister, und zwar mit der Schachlegende Boris Spasski. Der mittlerweile 78jährige Spasski war Ehrengast der Schnellschach- und Blitzschach-WM und war auch bei der Filmpremiere von "Pawn Sacrifice", einem Spielfilm über die WM 1972, anwesend. Dieser Teil des Programms war dem einfachen Fußvolk nicht zugänglich und so hatte man sich damit begnügen müssen, Spasski bestenfalls nur mit einem gebührenden Abstand zu Gesicht zu bekommen. Umso überraschter und erfreuter waren wir, als wir beim "Paulaner" um die Ecke einen Tisch in unmittelbarer Nähe von Boris Spasski bekamen. Christoph brachte den Mut auf, Boris Spasski anzusprechen und für David ein Autogramm zu erbitten, welches ihm auch bereitwilig gewährt wurde. Zwar ist der Ex-Weltmeister gesundheitlich schwer angeschlagen und sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl, aber er besitzt immer noch eine besondere Aura. Boris Spasski, was für eine Lichtgestalt der Schachgeschichte!

    Es war einfach gigantisch, so viele bekannte Schachspieler auf engstem Raum zu erleben. Vier der noch lebenden sechs Schachweltmeister hatten wir gesehen. Dazu weit über 130 Großmeister der absoluten Spitzenklasse, die in Armlänge von uns ihre Duelle austrugen. Eigentlich hätte die Veranstaltung deutlich mehr als die von der Fachpressse geschätzten 700 Zuschauer verdient gehabt. Auf der anderen Seite stieß der gut ausgewählte Veranstaltungsort mitunter schon an seine Kapazitätsgrenzen. Das Mitverfolgen der Partien wurde kleineren und weniger massigen Zuschauern wie unsere Wilhelmsburger Schachfreundin Carina Brandt, die mit ihrem Freund Jakob am Sonntag "kurz" vorbeischaute, mitunter nicht leicht gemacht. So blieb ihr mitunter nur das Zuschauen und Zuhören im Kommentatorenraum, in dem Jan Gustafson das Schachvolk launig und kompetent unterhielt. Aber auf diese Art und Weise brachte sie es immerhin auf die Homepage des Veranstalters, während wir Fischbeker dort nirgendwo zu sehen sind. 

    Es bleibt zu hoffen, dass der Schachzirkus bald wieder in die Stadt kommt. Ob Berlin oder andernorts, ist dabei relativ egal. Nur eine Großstadt sollte es schon sein. So eine tolle und medienwirksame Veranstaltung wieder in die sibirische Steppe zu verlegen, wäre echt schade. 

    P.S.

    Fotos habe ich massenweise geschossen. Ein paar davon sind auch ganz brauchbar. Vielleicht gibt es ja einmal die Gelegenheit, diese allen interessierten Fischbeker zu präsentieren.

     

     

        

     

     

     

     

Kommentare sind geschlossen.