HHMM 2014 – FBK 1 gewinnt gegen St. Pauli 3 mit 4,5:3,5

Auch bei diesem Mannschaftskampf stand ich vor der Frage, wie das gegnerische Team vorne aufstellen wird, denn zum Teil hatten die ersten Bretter in höheren Ligen gespielt und waren gesperrt, zum anderen gibt es auch hier Spieler, die zeitlich nicht in der Lage sind, alle Spiele in einer Saison zu abvolvieren. Am Ende war ich doch überrascht, wieviele von den vorderen Stammspielern bei St. Pauli fehlten. Letzendlich ging es für St. Pauli um nichts mehr. Man hatte zwar nach DWZ-Durchschnitt die stärkste Mannschaft in der Stadtliga-A, aber die Ergebnisse waren durchwachsen, so dass man zur siebten Runde auf den 6. Tabellenplatz lag.
 
Bei der Abgabe der Mannschaftsaufstellungen gab es Irritationen, denn der stellvertretende Mannschaftsführer von St. Pauli war der Meinung, ich solle doch beide Meldekarten ausfüllen – eine interessante Idee der Arbeitsteilung. Ich für meinen Teil hatte bis zum Vorabend, gegen 21.30 Uhr noch eine Entscheidung zu treffen, wer Sven Becker ersetzen sollte, bzw. ob die Nachmeldung von Thomas Peters rechtzeitig und rechtswirksam werden würde. Am Ende war sie es und Thomas bedankte sich für die Nominierung durch einen schnellen, deutlichen Sieg.
 
An den oberen drei Brettern war die Eröffnungswahl eher taktisch bestimmt. Christoph Serrer wählte einer seiner Hausvarianten und wollte wie Karpow, Kramnik oder Carlsen seinen Gegner langwierig überspielen. Das gleiche galt für meinen Gegner, der aber angesichts der doch sehr symmetrischen Stellung schnell ins Remis einwilligte. Der Gegner von Jakob Kneip spielte die Eröffnung schnell und überzeugt, aber suboptimal und irgendwie schienen dann beide nicht von ihrer Stellung überzeugt zu sein, so dass sich noch vor dem Ende der Eröffnung auf Remis einigten.
 
Es lief also sehr gut für uns, zumal mir die Stellungen von Andreas Wanke und Philip Reichhardt gefielen. In der Zwischenzeit kam es zu einem taktischen Intermezzo bei Nikolas Egelriede. Der Gegner konnte schon mit seiner Stellung zufrieden sein, da erlangte Nikolas doch gewissen taktischen Druck. Hierbei übersah oder verwarf Nikolas eine Möglichkeit und der Gegner war sichtlich glücklich, dass Nikolas das nicht gezogen hatte, beging dann aber gleich zwei Fehler, so dass Nikolas mit einer hübschen taktischen Wendung, eine Figur gewann. Alptraum des Gegners in der Nacht: Die ungedeckte Dame auf d7. Somit hatte der Mannschaftsführer des TV Fischbek ein zufriedenes Gesicht, während der Geräuschpegel im Spielraum für einen Schachwettkampf nicht in Ordnung war.
 
In der Kneipe, zwei Räume weiter, wurde zwar auch Schach gespielt, aber viel wichtiger waren laute Gespräche (Wem die Fischbeker Tandemspieler zu laut sind, sollte hier einmal vorbeischauen. Da ist es richtig leise bei uns.). Wiederum irgendwo im Gebäude gab sich eine Gruppe von Menschen dem Fan-Tum hin und skandierten irgendwelche Fanrufe-/gesänge. Also halt das Übliche: St. Pauli ist der geilste Verein und das Beste überhaupt und wir sind auch geil, (bloß) weil wir (nur) Fans sind. Daneben verließen Spieler regelmäßig den Raum durch die Außentür, die war zwar neu, fiel aber doch geräuschvoll in die Zarge.
 
Apropos Gebäude: Überall im Raum waren Farb- und Putzabplatzungen an den Wänden zu bemerken. Ob hier normalerweise Gegenstände wahllos durch den Raum fliegen, beispielsweise wenn Bayern München (oft) oder der HSV (fast nie) gewinnt?
 
Die Stellung von Matthias Luckhardt befand sich im gewissen Gleichgewicht, nur der Zeitverbrauch von ihm war deutlich höher. Mittlerweile wurde Andreas´ Stellung anspruchsvoller und hier begannen beide Spieler plötzlich 15 Züge vor der Zeitkontrolle, trotz größer 20 Minuten Restbedenkzeit, die Partie herunter zu blitzen. Nach Andreas´ Aussage, weil er nach einem Fehler nicht mehr viel für sich sah und der Gegner, naja. Gefühlt hat am Ende eher Andreas zu seiner Niederlage beigetragen, denn die Technik des Gegners. Philip hatte sich in der Eröffnung mit einer vom Gegner gewählten Nebenvariante (Carlsen und Kramnik lassen grüßen) zu beschäftigen, aber solche Subsysteme werden im Zweifel auch ein wenig überbewertet, insbesondere da Philip hier ganz cool spielte und am Ende des Mittelspiels deutlich wurde, dass das Subsystem zu einer suboptimalen Stellung des Hauptvarianten-Verweigerers führte. Kurz vor Zeitkontrolle vergab dann Philip einfache(re) Gewinnwege, es wurde dann aber nicht spannend, weil der Gegner seine 30 Minuten Restbedenkzeit in wenigen Zügen so weit verbrauchte, dass klar war, dass Philip ihn irgendwann über die Zeit heben würde, egal wie die Stellung ist. Die Stellung indes war mit Mehrbauer gewonnen und dies sogar relativ einfach.
 
Kurz vor der Zeitkontrolle übersah Matthias einen Zug, verlor einen Bauern und die Partie war gelaufen. Schade insbesondere, weil der Gegner bis dahin nicht einen Tick , trotz 150 DWZ-Punkten plus, besser gespielt hatte, sondern relativ plan- und konzeptionslos agierte. 
 
So stand es also 4:3 für uns und es wurde spannend.
 
Zwischenzeitlich besprachen Andreas, Jakob, Matthias und ich die verlorenen Partien im Flur, da wurden wir tatsächlich vom St. Pauli-Mannschaftsführer aufgefordert, ruhig zu sein. Ein echter Witz, denn es war nur laut im Gebäude und wir waren noch die Leisesten.
 
Zur letzten Partie: Christoph stand die Partie über besser, hatte dann einen Blackout und kam in ein schlechteres Turmendspiel. Es war ein harter Abend für Christoph. Übermüdet, Kältegefühl und Kopfschmerzen und dann eine Partie die wirklich fünf Stunden dauerte. Für mein Herz war es nicht gut zu sehen, dass Christoph seine 30 Minuten Restbedenkzeit auf knapp 4 Minuten ablaufen ließ und sich dann dem Blitzschach hingab. Sein Gegner hatte die Auswahl zwischen zwei gut aussehenden Fortsetzungen, entschied sich dann für eine dritte Variante (die ich nicht gesehen habe und erst einmal beeindruckt war), die jedoch die schlechteste Wahl war, denn mittels ein, zwei genauen Zügen führte Christoph die Partie souverän zum absoluten Ausgleich und mit 28 Sekunden Rest von Christoph nahm der Gegner das Remisangebot an. Hier zeigte sich klar die spielerische Klasse von Christoph.
 
Somit gewannen wir gegen den staffelstärksten Verein und sprangen gar auf den dritten Tabellenplatz und freuen uns total. Eine kurze Rechnerei ergab aber, dass das Thema Aufstieg nicht mehr in Frage kommt, dafür sind die beiden Erstplatzierten zu weit von uns weg.
 
Denis Schermer