Im Vorfeld des Mannschaftskampfs bahnten sich erste Probleme an. Luxusprobleme. Während sich diese Saison für den TV Fischbek als besonders kostspielig auszeichnet, weil sehr oft Bretter unbesetzt blieben und entsprechende Strafgebühren fällig waren, konnte Mannschaftsführer Denis Schermer diesmal aus dem Vollen schöpfen. Alle zehn Spieler der Stammbesetzung signalisierten ihre Spielbereitschaft. Ok, genau genommen trat das Luxusproblem nicht als Luxusproblem in Erscheinung, denn Christoph Serrer stand für diesen Mannschaftskampf ursprünglich gar nicht zur Verfügung. Zudem hatte auch Matthias Luckhardt frühzeitig angekündigt, in dieser Runde aussetzen zu wollen, wenn es gelingen sollte, adäquaten Ersatz zu finden.
Und es gelang tatsächlich. Mit Knud Schulenburg stand unser etatmäßiger Back-up zur Verfügung, so dass wir nahezu in Bestbesetzung zum Lokalderby bei den Marmstorfern antreten konnten. Nachdem überraschend auch Christoph eine Wolkenlücke in seinem Terminkalender ausmachen konnte, schien das Glück des – im Übrigen arg bänderverletzten – Mannschaftsführers fast perfekt. Um es perfekt zu machen, übernahm ich gerne zu Gunsten von Christophs Einsatz die Rolle des mitreisenden Fans, zumal durch diese Rochade die "Höllenmaschine Fischbek I" um rund 400 DWZ-Punkte getunt werden konnte. Das Süderelbederby konnte also kommen.
Bereits eine halbe Stunde vor Spielbeginn hatten wir unsere Mannschaft nahezu vollständig versammelt. Lag es an den Außentemperaturen oder waren wir alle heiß wie Frittenfett? Es schien, als hätten die Marmstorfer bereits mit einem hitzigen Lokalderby gerechnet und prophylaktisch die Dachfenster in ihrem Spiellokal auf Durchzug gestellt. Wie sich zeigte ein kluger Schachzug, denn die Temperatur unter dem Dach des Vereinsheims von Grün-Weiß Harburg erreichte bereits im Frühjahr hochsommerliche Bereiche.
Apropos Marmstorfer Spiellokal: Nachdem wir uns in der Vergangenheit bereits mehrfach ungefragt über fremde Spiellokale ausgelassen haben, kann ich es mir nicht verkneifen, auch ein paar Worte über das Marmstorfer Domizil zu verlieren. Eigentlich eine perfekte Adresse für einen Schachverein. Es liegt sehr idyllisch und ruhig an Harburgs Peripherie und bietet einen großen Parkplatz direkt vor dem Haus. Selbst die Bushaltestelle, die Marmstorf mit dem Rest der Welt verbindet, ist nur einen Steinwurf weit. Das Haus selbst bietet auf zwei Ebenen genügend Platz, um ungestört Schach zupielen und Partien zu analysieren.
Aber warum dieses einschränkende "eigentlich"? Nun, eine russische Kunstturnerin würde dies vermutlich nicht verstehen, wenn sie während eines Mannschaftskampf im Dachgeschoß auf und ab läuft. Nun laufen dort oben aber bedauerlicherweise nicht nur elfengleiche russische Kunstturnerinnen auf und ab, sondern auch der eine oder andere leicht adipöse Schachspieler (zu denen ich mich – seufz – wohl auch zählen muss). Den Unterschied von zwei Zentnern Lebendgewicht kann man in Marmstorf eben nicht nur optisch, sondern auch akkustisch wahrnehmen. Die knarzenden Holzdielen verursachen eine Geräuschemission, die es wahrlich in sich hat. Wer es als Schachspieler selbst noch nicht erlebt und auch keine Gelegenheit dazu hat, kann es im Selbstversuch einmal testen und spaßeshalber eine Tüte Kartoffelchips während einer Messeandacht in der Kirche verzehren. Guten Appetit.
Damit noch nicht genug. Im Verlaufe des Mannschaftskampfs beschlich mich zudem die Befürchtung, ich sei gerade im Begriff, mein Sehvermögen zu verlieren. Das schwindene Tageslicht wird durch ein Funzellicht ersetzt, welches bestenfalls dazu angetan ist, dem ersten tete-a-tete mit der Freundin einen romantischen Touch zu verleihen. Für die Erleuchtung der Schachspieler ist es jedoch denkbar untauglich. Nur gut, dass ich einen Platz im Fanblock hatte und nicht selbst spielen musste. Fazit: Wenn in Marmstorf akkustisch ab- und optisch aufgerüstet wird, ist es eine Top-Adresse unter den (mir bekannten) Vereinslokalen. Vorsicht Sackgasse: Ohropax und Restlichtverstärker.
Genug der kritischen Worte. Das Wesentliche ist ja schließlich das Spiel und die Wahrheit liegt auf dem Brett. Ich wurde am gestrigen Freitag Zeuge eines denkwürdigen Ereignisses. Denis gewinnt seine Partie, was für sich genommen noch nicht besonders ungewöhnlich ist. Er gewinnt aber bereits nach dreizehn (!) Zügen gegen Holger Fabig und alle anderen spielen noch! Das war – so glaube ich – noch nie da. Vielleicht spendiert Denis den Lesern unserer Homepage noch eine Spielanalyse seines kurzweiligen Partie.
Das 2:0 markierte Christoph mit einem sehenswerten Turmopfer auf h3. Anfangs dachte ich noch, wie will Christoph diese Partie überhaupt gewinnen. Alles betonfest auf beiden Seiten und weit und breit keine Möglichkeiten, einen Hebel anzusetzen. Aber ein FM sieht eben mehr als ein VJM (Vereinsjugendmeister; 1981 für Historiker). Mit scheinbar leichter Hand schürrte Christoph einen Königsangriff gegen die mit f4 geöffnete Königsstellung des Weißen. Knick-knack und Ende.
Es war Thomas Peters, der den Score auf 3:0 in die Höhe trieb. Thomas spielte wie immer mit den weißen Steinen "auf Zug" und zwang seinen Gegner rasch in die Defensive. In dem Moment, als ich dachte, sein Gegner hätte mit dem Damentausch doch noch alle Probleme gelöst, kroch der weiße Turm nur ein winziges Feld weit von f3 nach g3 und leitete einen letalen Königsangriff ein. Die Partie wurde noch eine Züge (zu lang) weitergeschleppt, aber das Ergebnis war bereits irreversibel.
Das Halbzeitergebnis nach vier Partien lautete "nur" 3,5:0,5, da es Philip Reichhardt trotz vielfältiger und eifriger Bemühungen nicht schaffte, den Gegner in die Rückenlage zu bugsieren. Klingt da bereits ein Hauch von Überheblichkeit bei mir durch? Nein, ich verbitte es mir! Es bestand zu diesem Zeitpunkt nämlich kein Anlass, das Fell des Bären vor seinem Ende zu verteilen. Philips remis war schon gerechtfertigt, aber auf den anderen Plätzen sah es zeitweise sehr kritisch aus. Ein 4:4 war noch längst nicht vom Tisch und so mussten wir noch ein wenig um den Erfolg bangen.
Die Beruhigungspille bekamen wir dann von Nikolas Egelriede verschrieben. In Zeitnot schaffte es Nikolas irgendwie, eine Qualität und kurz darauf auch die Partie zu gewinnen. Einzelheiten sind mir nicht überliefert worden, aber wen überrascht dieses Ergebnis bei Mister 100 % wirklich? Momentan liegt sein DWZ-Zuwachs im dreistelligen Bereich. Etwas, was man ansonsten nur von der U12 kennt.
Nachdem Nikolas geliefert hatte, war es Peter Schausten, der seine Partie mit einem Remis abschloss. Peter war zwar kämpferisch eingestellt und lehnte zwischenzeitlich ein Remisangebot seines Gegners Bodo Müller zu Recht ab. Am Ende hatte er aber Glück, dass ihn sein Patzer – sprich Springergabel mit Bauernverlust – nicht die ganze Partie kostete. Aber da wir uns bereits im kosmetischen Teil des Mannschaftskampfs befanden, kam es letztlich darauf nicht mehr an.
Kämpferisch ging es an Brett 4 zwischen Jakob Kneip und Ralf Böhme hoch her. Jakob saß die ganze Zeit tiefgebeugt über seinem Brett, so dass ich kaum Gelegenheit zum Kiebitzen hatte. Dem Vernehmen nach soll sich Jakob aber in enormen Schwierigkeiten befunden haben. Ein Verlust war hier durchaus zu erwarten gewesen. Aber Jakob wäre nicht Jakob, wenn er nicht doch noch mit aller Kraft nach Auswegen gesucht hätte. Zwar lief er lange Zeit einem verlorenen Bauern hinterher, aber er nutzte die Fehler seines Gegners geschickt aus, um seine Verteidigung aufzubauen. Wie gesagt, es lief bereits der kosmetische Teil des Mannschaftskampfs und beide verzichteten wohlweislich irgendwann darauf, das Endspiel vollständig durchzudeklinieren.
Zu guter letzt war es Knud vorbehalten, den rühmlichen Schlusspunkt des Abends zu setzen. Ob das Endspiel für Knud wirklich gewonnen war, konnte ich nicht abschließend beurteilen. Es war aber auf jeden Fall sehr interessant und lohnt, näher betrachtet zu werden. Vielleicht gibt es dazu später noch eine fachliche Einschätzung der Beteiligten, die jedenfalls sehr kämpferisch ans Werk gingen.
Freuen wir uns nun auf den Showdown gegen Königsspringer IV am 14. Juni in Neugraben. Das gestrige 4:4 unseres Konkurrenten gegen HSK X verschaffte uns natürlich eine komfortable Ausgangsbasis im Aufstiegskampf. Selbst eine 2:6-Schlappe würde für den Aufstieg sogar reichen, aber ich denke, dass wir alle das Maximale aus der Saison herausholen wollen. Machen wir uns also an das "Projekt 18:0" (jetzt kupfert der sogar schon bei der FDP ab) und hängen uns rein. An dieser Stelle noch gute Besserung für die beiden Siechenden, Denis und Matthias, die beide im Juni wieder topfit sein werden.