Oberliga-Debüt: Fischbek I 4,5:3,5 HSK III

Fischbeks erster Auftritt auf dem Oberliga-Parkett: Egal, wie das Ergebnis heute lauten würde, Vereinsgeschichte sollte es auf jeden Fall werden.

Nach dem glorreichen SiegAufstieg in der Landesliga in der letzten Saison durfte Fischbek I heute ihren ersten Mannschaftskampf in der Oberliga Nord-Nord absolvieren. Völlig fremd waren uns die Gäste noch nicht: HSK III kam zu Besuch.

Und noch vor Beginn der Partien zeigte sich, warum Fischbek so krasser Außenseiter in der Oberliga ist. HSK III trat stark ersatzgeschwächt an, mit nur zwei Spielern aus den „Stammplätzen“ 1-8. Und trotzdem waren wir an allen Brettern Rating-Underdogs: vorne „nur“ um circa 50 Punkte, an den Brettern 4, 6, 7 und 8 aber um jeweils 200 Punkte, in einem Fall sogar 300. Aber gut, nützt ja nichts, also ran da.

Mit schickem neuen Spielmaterial — und ganz besonders mit schicken neuen Uhren, die auch die Schiedsrichter bedienen können — ging es dann los. Auf beiden Seiten gab es ein, zwei Spieler:innen, deren Anfahrt sich etwas verzögerte, aber der Rest konnte starten. Und wer sich nach den ersten fünf Minuten einmal umgeguckte, konnte feststellen, dass Brett 1 in der Zeit nur so ungefähr vier Züge gespielt hatte, während bei Carina, Alexander und mir mehr Tempo gemacht wurde: wir kamen auf etwa 14, in Carinas Fall sogar 19 runtergeblitzte Züge. Schön, wenn die Spieler:innen sich einig sind, welche Eröffnung diskutiert werden soll.

Kurz nach Anpfiff

Besonders, wenn man so gut aus der Eröffnung herauskommt wie ich. Bei mir sah es ein paar Züge nach Ende der Vorbereitung schon ziemlich finster für Schwarz aus, nämlich so:

Jakob Kneip – Fabian Brinkmann
Stellung nach 25.f5 von Weiß

Schwarz hat auf der Grundreihe etwas zu viel Fischer Random Schach gespielt und kommt jetzt nicht mehr raus. Ein Befreiungsversuch mit …g7-g5 wenige Züge später scheiterte an Matt-in-3 (bzw. untragbare Materialverluste), sodass mein Gegner aufgab. „Erster Sieg eines Fischbekers in der Oberliga, Vereinsgeschichte!“ — Andreas Wanke

Ganz kurz nach mir wurde Marco fertig, der an Brett 3 mit Schwarz eine sehr scharfe Eröffnung gespielt hatte. Hier gab es schon von der zweischneidigen Natur der Stellung her Chancen für beide Seiten, aber nach einem Fehlgriff entstand leider ein sehr schlechtes Endspiel für Marco. Oder, in seinen eigenen Worten: „Erste Niederlage eines Fischbekers in der Oberliga, Vereinsgeschichte!“

Die restlichen Partien liefen noch munter. Jürgen hatte eine Jürgen-typische unklare Stellung; Carina hatte aus der Eröffnung heraus einen c-Freibauern mehr im Endspiel, aber gegen ein starkes Läuferpaar; Alexander schien einen c-Bauern und ein d5-Feld weniger zu haben; Thomas hatte zwar noch ausgeglichenes Material, musste aber auch gegen ein Läuferpaar spielen; Nikolas hatte ein sehr dynamisches Mittelspiel; und Ceren, für die es der erste Einsatz für den TV Fischbek war, hatte gegen die frischgebackene Hamburger Schnellschachmeisterin Charlotte Hubert ungleichfarbige Läufer und reichlich Schwerfiguren auf dem Brett, mit etwas Initiative für Ceren, aber ohne direkten Durchbruch.

Bei Nikolas dauerte es dann auch nicht lange, bis es heftig schepperte. Weiß sammelte lieber irgendwelche Bauern ein als sich um den eigenen König zu kümmern, und dem kam dann schnell und zwingend der schützende b-Bauer abhanden, wonach Weiß nicht mehr lange überleben würde. 2:1 für Fischbek!

Bei Cerens Partie kam von ihrer Gegnerin mit nur noch zwei Minuten auf der Uhr ein Remisangebot, woraufhin Ceren sich erkundigte, ob sie den Mannschaftsführer aufsuchen dürfte. Sie entschied sich dann aber doch auf eigene Faust noch weiterzuspielen und wurde dafür auch belohnt: Schwarz zog zu viele Schwerfiguren auf die verlockende offene a-Linie und musste nach De1-h4! von Ceren aufgeben, da Matt auf h7 (oder einen Zug später auf g7) nicht mehr zu verhindern war. 3:1 für Fischbek!

An dieser Stelle sei gesagt, dass wir schon damit die Prognose des Ligaorakels vom SK Bad Homburg übertroffen hatte. Dort werden den Ratings und Aufstellungen entsprechende statistische Simulationen der Ligen ab- und oberhalb der Landesliga gemacht, und die Prognose für Fischbek in der Oberliga ist sehr düster:

Prognose des Ligaorakels vor der ersten Runde

Gemäß Orakelspruch würden wir in keinem Mannschaftskampf auch nur 3 Brettpunkte machen, aber die waren schon eingetütet!

Die verbleibenden vier Partien stimmten auch optimistisch. Okay, Thomas hatte mittlerweile einen Bauern weniger und kämpfte gegen die Niederlage an, aber Jürgen hatte sich in der Zeitnotphase drei Bauern für die Qualität gekrallt, Carina hatte immer noch einen c-Mehr-Freibauern, und Alexander hatte es irgendwie hinbekommen, Figur gegen Bauer mehr zu haben. Selbst wenn alle vier Partien nur ihr „absolutes Minimum“ holen würden, also drei Remisen und eine Niederlage bei Thomas, wäre das schon das 4,5:3,5. Aber wir wollten ja optimistisch sein.

Konzentration bis zum Schluss: Alexander und Thomas spielen noch
Hinten rechts verdeckt: Carina spielt noch
Nicht im Bild: Jürgen spielt auch noch

Bei Alexander war bald nicht mehr viel vom hübschen Spielmaterial auf dem Brett: Könige, jeweils g- und h-Bauern sowie Alexanders Springer auf c7 gegen einen weißen Bauern auf c6. Abbildung ähnlich:

FM Hartmut Zieher – Alexander Schneider, aus Sicht von Schwarz
So oder so ähnlich die Stellung von Alexander: Der weiße König bleibt am g-Bauern kleben, sobald Schwarz in Richtung g2 läuft. Der Springer muss in der Nähe des c6 bleiben und kann leider kein Tempo verlieren, sodass man Weiß nie in Zugzwang bringen kann. Hier einen Gewinn zu finden ist extrem schwierig, besonders wenn die Zeit knapp wird.
Hier einen Gewinnplan zu finden ist eine gute Trainingsaufgabe! Lösung am Ende des Berichts.

Alexander probierte tapfer verschiedenste Methoden, um diese Stellung zu gewinnen, mal mit dem Springer hier, mal mit dem Springer da, aber am Ende (nachdem noch g4 hxg4 Kxg4 passierte) konnte der Springer leider den weit entfernten Bauern nicht genug Unterstützung bieten und es ging Remis aus. 3,5:1,5! Und das erste Remis eines Fischbekers in der Oberliga, also auch Vereinsgeschichte.

Bei Carina verflüchtigten sich die Hoffnungen als nächstes. Auch hier wurde noch alles probiert, aber mit nur noch einem weißen Springer und einem schwarzen Bauern auf dem Brett einigte man sich auf Remis. 4:2 für Fischbek, der erste Mannschaftspunkt ist sicher!

Der König muss mitspielen: Jürgen begibt sich nach der Zeitkontrolle auf Wanderschaft

Währenddessen waren aus Jürgens drei Bauern für die Qualität leider nur noch zwei geworden, weil der mutig vorpreschende b-Freibauer von Weiß einkassiert wurde. Jürgen probierte auch noch noch ein bisschen was, inklusive eines Ausflugs mit dem König bis nach g5, ungeachtet der weißen Dame-Turm-Kombination, aber auch das sollte nicht reichen. Mit dem Forcieren eines Damentauschs bot Jürgen Remis an und freute sich danach riesig über den Sieg seiner Mannschaft. 4,5:2,5!

Somit ging es im Mannschaftssinne bei Thomas um nichts mehr. Dem war aber passive Verteidigung trotzdem zu langweilig, sodass die letzten paar Bauern, die er noch hatte, direkt ins Rennen geschickt wurden. Leider wurden diese von Schwarz erfolgreich gestoppt und eingesammelt, sodass Thomas sich geschlagen geben musste. Endergebnis: 4,5:3,5 für Fischbek!

Mit dabei bei unserem Oberliga-Auftakt war natürlich unser „Maskottchen“ Andreas, der fleißig Fotos gemacht hat — die werden an dieser Stelle noch nachgereicht.

Was für ein Start für Fischbek! Ich möchte ja nicht zuviel versprechen, aber wir erinnern uns natürlich alle daran, dass schon unsere letzte Saison in der Landesliga damit startete, dass wir als Underdogs zuhause ein 4,5:3,5 geholt hatten. Und wir wissen ja, wie das ausging.

Auflösung zum Endspiel von Alexander: In der Diagrammstellung einen Gewinnplan zu finden ist sehr schwer. Wenn Schwarz mit dem König in Richtung des g2 läuft, kann Weiß sich immer aussuchen, ob der König auf einen weißen oder einem schwarzen Feld hinterherlaufen soll (typischerweise wird zwischen h6 und g6 entschieden). Daher ist es nicht ohne Weiteres möglich eine Springergabel auf den c-Bauern aufzubauen.
Das einzige Feld, auf welches Schwarz den weißen König zu einem beliebigen Zeitpunkt zwingen kann, ist g5: nämlich indem Schwarz Kf4 und Kg3 spielt. Egal wo der weiße König herkommt, auf Kg3 muss Weiß in jedem Fall mit Kxg5 antworten. Leider ist das ein schwarzes Feld und daher nicht gabelbar mit c6, wo der weiße Bauer steht. Wohl aber mit c7: Wenn Schwarz den weißen Bauern nach c7 zwingt und dann Sd6+ eine Gabel ist, während der eigene König den h4 gedeckt hält, würde Schwarz gewinnen. Wie kriegt man das hin? Das einzige Feld, von dem aus der Springer g5 und c7 angreift, ist e6. Um c6-c7 zu erzwingen muss der Springer den c-Bauern angreifen, aber er muss von dort aus auch in der Lage sein, sofort Sd6+ zu geben, denn sonst läuft der c-Bauer durch. (Von c8 aus kann man den c-Bauern zwar blockieren, aber c8 und d6 sind im Vier-Züge-Abstand für Springer.) Die einzigen beiden Felder, von denen ein Springer c6 angreift und e6 betreten kann, sind d4 und d8. Schwarz muss also den König nach f4 stellen und den Springer so, dass dieser im nächsten Zug nach d4/d8 gehen kann, und dann die Sequenz Kg3 Kxg5 Sd4/d8 c7 Se6+ nebst Sxc7 ausführen. Aber auch das ist noch nicht die vollständige Lösung: Mit Se6?! als Startzug kommt Schwarz nämlich nicht zum Ziel, weil das noch zu nah am weißen König ist und dieser den Springer beiläufig treten kann. Der Springer muss deshalb die Route über b5 nehmen — was sehr unintuitiv ist. (Sb9 ginge auch, wenn es das Feld geben würde.) Der Gewinn ist also:
Sb5 Kh6 (oder sonstwohin) Kf4 Kg6 Kg3 Kxg5 Sd4! c7 Sd6+ Kh5 Sxc7, wonach der schwarze König auf g3 stehenbleibt und der Springer herankommt.

Als Endspielaufgabe ist das schon knifflig genug, aber in einer laufenden Partie ist so ein Manöver extrem schwierig zu finden. In der Diagrammstellung oben gibt es übrigens noch eine Nebenlösung: g4 hxg4+ Kg5!? gefolgt von mehr Springermanövern mit dem König auf g5 stehend; das ist aber noch absurder.

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