HaSpa-Schachpokal in Bargteheide

Diesen Samstag fand die Jubiläumsausgabe des HaSpa-Schachpokals Bargteheide statt: 40 Jahre Schachverein Bargteheide. Zu diesem besonderen Anlass wurde das Turnier nicht wie in anderen Jahren als Langzeit- sondern als Schnellschachturnier mit 15min+10sek/Zug ausgetragen, inklusive eines üppigen Preisfonds, welcher so manche IMs und GMs anlockte. Ich selbst war als einziger Fischbeker vor Ort und konnte gleich eine lange Reihe Hamburger Jugendlicher identifizieren. Die Preisgestaltung der Organisatoren sah nicht nur Preise für die besten acht Spieler vor, sondern auch für Jugendliche (bin ich nicht mehr), Senioren (bin ich noch nicht) und Bargteheidler (bin ich auch nicht), sowie Ratingpreise in jeweils fünf Kategorien (eine davon bin ich, die anderen vier nicht).

Startschuss war um 10 Uhr morgens im Stadthaus Bargteheide, wodurch die pünktliche Anreise ein unstudentisch frühes Aufstehen notwendig machte. Dementsprechend müde und etwas pessimistisch traf ich denn am Spielort ein. Der Pessimismus nahm noch ein wenig zu als ich (und etliche andere Spieler auch) während der Eröffnungsrede überrascht feststellten, dass neun Runden gespielt werden sollten — irgendwie waren wir alle von sieben Runden als Standard für ein eintägiges Schnellschachturnier ausgegangen. So hatte ich Sorge die letzten beiden Runden allzu komatös zu spielen.

Das Stadthaus Bargteheide ist ein sehr ruhiger Spielort, da die Fenster zu einem Park bzw. kleinen See hinausgehen. Auch Spielmaterial und Bistro waren vorbildlich, die Konditionen waren also gut. Auf der Setzliste startete ich als Spieler 39 von 100. Eine besondere Attraktion dieses Turniers gegenüber anderen: Es würde Schnellschach-Elo ausgewertet werden. Diese Zahl ist zwar bisher zu nichts gut, aber mehr Zahlen sind immer gut für das Ego eines Schachspielers.

In der ersten Tabellenhälfte gesetzt erhielt ich in der ersten Runde einen Gegner, gegen den ich auf dem Papier hoher Favorit war: Karol Lalla von Lüneschach (Elo 1580). Vor der Partie wechselte ich noch meinen König aus: Diesem fehlte nämlich das Krönchen, wodurch er der Dame doch schon sehr ähnlich sah. Die Partie war dann sehr kurz, bereits nach zwölf Zügen war Weiß eine Figur abhanden gekommen, sodass aufgegeben wurde.

In Runde 2 bekam ich dann einen Gegner von weiter oben, FM Frank Sawatzki (Elo 2380). Hier spielte ich mit Weiß gegen seinen Sizilianer eine Variante, von der ich nicht mehr wusste als dass sie existiert — ab Zug 8 musste ich selbst spielen. Dementsprechend schlecht stand ich dann auch nach kurzer Zeit:[chessboard]1qr1r1k1/1b1nbppp/pp1ppn2/8/2PQP3/1PN1NP2/P5PP/R1BR1BK1[/chessboard]So spielt man eine Igelstruktur nicht mit Weiß. Schwarz spielte 18…d5!, was dank der großen Probleme entlang der c5-g1-Diagonale sofort gewinnt.

 

Nach der Partie war Frank noch so nett sich mit mir ein wenig über die Eröffnung zu unterhalten und mir grobe Tips zu geben wie ich es hätte besser anstellen können.

Für die dritte Runde bekam ich dann wieder einen vom Rating her schwächeren Gegner zugelost (Thomas Valtr, Elo 1944). Hier gelang es mir die Partie mit einer kleinen Kombination zu beenden:[chessboard]5Bk1/pp3ppp/2p1r3/3n4/7q/1PP2Q2/P4PP1/R4RK1[/chessboard]Schwarz am Zug gewinnt mit 19…Th6 20.Dh3 Sf4!, dank des Zwischenschachs 21.Dxh4 Se2+ mit einem bekannten Mattmotiv.

 

Nach dieser Partie war ich schonmal froh, zumindest eine hübsche Partie zustande bekommen zu haben. In der nächsten Runde gab es dann nochmal Weiß gegen einen stärkeren Gegner: Daniel Kopylov (Elo 2298), Sohn von IM Michael Kopylov, welcher ebenfalls mitspielte. Daniel spielte gegen mich einen Sizilianer, den ich mir zufällig diese Woche erst im Detail angeguckt hatte (um ihn eventuell mit Schwarz selbst zu spielen). Dementsprechend überrascht war er denn auch, dass ich in seiner nicht besonders bekannten Sizilianischvariante die ersten 16 Züge oder so im Blitztempo spielte — das war einfach etwas Pech für ihn; wie man in der zweiten Runde sehen konnte gibt es genug größere Sizilianer, in denen ich bereits ab der Startstellung nicht weiß was zu tun ist. Jedenfalls war mein Angriff schneller als der des Schwarzen.[chessboard]6k1/pp3pb1/3p4/3P4/q1n2Q1P/2P5/1P4R1/1K1R4[/chessboard]In dieser Stellung kann Weiß quasi beliebig gewinnen. Mit 19 Sekunden auf der Uhr wollte ich gerade 32.Dg4 spielen (was gewinnt), dachte dann aber mit der Dame in der Hand, dass es ja vielleicht klug wäre aus dem Abzug entlang der vierten Reihe rauszugehen, und spielte 32.Dg5. Das stellt leider den Turm auf d1 mit Schach ein — was nicht weiter schlimm wäre, wenn es nicht ein sofortiges Dauerschach ermöglichen würde. Nachdem wir dann ungefähr sieben Mal die Züge wiederholt hatten, ohne dass einer von uns das Remis reklamieren wollte, einigten wir uns per Blickkontakt und Mimik auf Remis (und dann natürlich per Handschlag).

 

Ein bisschen unglücklich war ich schon, dass ich in dieser Stellung nur ein Remis geholt hatte. Aber bevor es mit dem Schach weiterging gab es eine Stunde Mittagspause, in der wir uns mit einer kleinen Auswahl selbstgekochter Speisen stärken konnten, am Besten draußen im Park sitzend. Weiter ging es dann mit Runde 5, Schwarz gegen Frederik Svane (Elo 2264), kleiner Bruder von GM Rasmus Svane. Hier bekam ich die Gelegenheit den Sizilianer, den ich in der vorigen Woche analysiert hatte, selbst auszuprobieren — sehr ähnlich zu dem, was Daniel Kopylov gegen mich gespielt hatte, aber mit ein paar kleinen Änderungen. Das klappte ziemlich gut: Frederik verbrauchte nicht nur etwas mehr Zeit auf der Uhr als ich, am Ende meines Variantenwissens hatte ich ein leicht besseres Endspiel mit Läuferpaar bei symmetrischer Bauernstruktur. In diesem Endspiel machte Frederik allerdings konsistent leicht bessere Züge als ich, sodass ich dann sogar etwas unter Druck geriet. Gerade als ich dachte, dass ich meine Stellung stabilisiert hatte, machte sich die Differenz auf der Uhr bemerkbar: Frederik rechnete an einem Durchbruch, entschied sich mit vier Sekunden auf der Uhr, seine Berechnungen nochmal zu überprüfen — und verlor auf Zeit. Sehr ärgerlich für ihn, wobei es in der konkreten Stellung auch leider keinen einfachen Abwartezug gab, den man hätte ziehen können, um die zehn Sekunden Inkrement einzusammeln.

Mit etwas unerwarteten 3,5/5 Punkten gab es in der nächsten Runde dann den nächsten harten Brocken für mich: Weiß gegen FM Jonah Krause (Elo 2336). Auch hier kam wieder ein Sizilianer auf’s Brett, und zwar dieselbe Variante, gegen die ich in der zweiten Runde gegen FM Frank Sawatzki untergegangen war. Wie der Zufall es wollte saß Frank am Brett direkt nebenan und musste schon etwas grinsen, als er sah, wie ich in der Startstellung dieser Sizilianischvariante wieder zu überlegen anfing. Ich entschied mich dann dem zu folgen, was Frank in unserer kurzen Unterhaltung zu diesem System gesagt hatte, wieder ohne mehr als die Existenz dieses Zuges zu kennen. Zumindest hatte ich noch grob im Kopf, mal bei einer Turnierübertragung eine Partieanalyse von Anish Giri gesehen zu haben, in der er über das weiße System gesagt hatte, „It’s not as stupid as it looks“. Tatsächlich bekam ich auch während der Partie das Gefühl, dass dieses System ganz schön nervig für Schwarz sein könnte: Er kam erst sehr spät zur Rochade, als meine Bauern schon weit vormarschiert waren, und musste dann mit dem Manöver …h7-h6 und …Sh7 eine Blockade auf g5 errichten. Die Bauernstruktur und Konstellation der Figuren ähnelte dann sehr meiner Partie gegen Daniel Kopylov, und wie schon in der Partie konnte ich eine Gewinnstellung erreichen:[chessboard]2r2rk1/2q1bppn/p2p3p/1p1P3P/5BP1/3B4/PPP2Q2/1K1R3R[/chessboard]Es kam 23.Lc1 Lg5 24.Df5 Sf6 25.Lxg5 hxg6 26.h6 und nach Dxg5 im nächsten Zug gab Schwarz auf.

 

4,5/6 Punkte waren nun schon deutlich mehr als ich erwartet hatte, den Sieg auf Zeit miteinbezogen. Damit rückte ein Ziel in greifbare Nähe: Die vorderen Bretter, welche direkt an den geöffneten Fenstern spielten. Im Spielsaal war es nämlich dank des Wetters und der vielen grübelnden Schachspieler schon sehr stickig geworden. Einmal an Brett 5 oder höher spielen zu dürfen würde da sicherlich gut tun. Leider wurde es nur Brett 7. Um an die Fenster vorzurücken müsste ich also, so dachte ich, lediglich mit Schwarz meine Partie gegen IM Georgios Souleidis (Elo 2415) gewinnen. Dieser Plan war zwar gut, ging aber leider nicht gänzlich auf. Folgende Stellung (ungefähr) erreichten wir nach viel, viel Hin- und Herziehen, Manövrieren und Züge-Wiederholen-um-Zeit-auf-der-Uhr-zu-gewinnen:[chessboard]4k3/2n1bpp1/1p2p2n/p1p1P1NP/P1P1KP2/1P4N1/3B4/8[/chessboard]Weiß kann keinen Fortschritt erzielen, da f5 Lxg5 Lxg5 Sxf5 Sxf5 exf5+ Kxf5 Se6 eine bombensichere Festung ist. Nachdem ich das Manöver …Sc7-a6-b4 durchgeführt hatte bot Georgios mir Remis an, und da Schwarz hier nicht ernsthaft auf Gewinn spielen kann, teilten wir den Punkt.

 

Schachlich war das natürlich ein sehr gutes Ergebnis, und zu meiner Freude wurde ich für die vorletzte Runde nochmal hochgelost und durfte an Brett 5 (Fensterplatz!) mit Weiß gegen GM Dorian Rogozenco spielen. Hier wählte ich eine der schärfstmöglichen Varianten gegen seinen Sveshnikov-Sizilianer, und wir lieferten uns eine sehr spannende Partie in völlig unklarer Stellung. Im Verlauf dieser Partie schaffte ich es insgesamt vier Mal zu übersehen bzw. zu vergessen dass sein Springer auf b8 gedeckt war; die ersten drei Male fiel mir das noch rechtzeitig auf, beim vierten Mal kostete es mich meinen schönen Freibauern auf a6, weil das schicke Damenopfer auf f7 gefolgt von Umwandlung gar keine Figur gewann (die war ja gedeckt). Danach ging es dann rapide abwärts, und Dorian leiß auch kein weiteres Gegenspiel mehr zu. Nach der Partie haben wir noch eine ganze Weile analysiert, bis der etwas ungeduldige Schiedsrichter vorbeikam und sich erkundigte, wo denn das Ergebniskärtchen bliebe.

Dementsprechend fertig ging ich dann in die letzte Runde, mit Schwarz gegen FM Martin Voigt (Elo 2317). Hier wurde ich bereits in der Eröffnung ziemlich souverän zerpflückt und bekam nie wirklich eine Möglichkeit in die Partie zu finden. Nach dem Zwischenstand von 5/7 war es dann schon etwas enttäuschend, in der letzten Partie des Turniers so chancenlos unterzugehen. Dafür konnte ich mich nach der Partie noch sehr nett mit meinem Gegner unterhalten.

Irgendwann warf ich dann einen Blick auf den Aushang, der vor der letzten Runde angebracht worden war (während ich noch in die Analyse mit Dorian vertieft gewesen war): Der Stand der Ratinggruppen nach der 8. Runde. In meiner Ratingkategorie lag ich mit 5/8 auf dem ersten Platz — zwar gab es vor der letzten Runde noch mehr Spieler mit fünf Punkten, aber ich hatte mit riesigem Abstand die beste Buchholzwertung aller Spieler dieser Gruppe. Ein Blick auf die Ergebnisliste der 9. Runde offenbarte, dass die anderen Spieler mit 5/8 Punkten ebenfalls allesamt verloren hatte, und bisher keiner der 4,5-Punkte-Spieler seine Partie gewinnen konnte. Von den Spielern mit viereinhalb Punkten spielte nur noch einer, der dafür dann aber auch die letzte noch laufende Partie der neunten Runde. Dessen Gegner aber, einer der Jugendlichen, mit denen ich nächste Woche zur DJEM nach Willingen fahren werde, ließ solange ich zuguckte nichts anbrennen und setzte sich nach langem Kampf durch (auch wenn es mir für den Ratingpreis natürlich lieber gewesen wäre wenn er gar nicht erst versucht hätte, dem Dauerschach der Dame zu entkommen).

Das bedeutete also, dass ich mit meinen 5/9 Punkten doch noch den Ratingpreis gewonnen hatte. Soweit ich sehe sind noch keine Fotos von der Siegerehrung online — zumindest keines von mir, von den anderen Preisträgern schon… Die Endtabelle hat es aber bereits ins Netz geschafft, und dieser kann ich entnehmen, dass ich mich von Setzplatz 39 auf Platz 30 verbessern konnte. Mit einer Elo-Performance von etwas unter 2300 kann ich sicherlich hochzufrieden sein. Ich weiß nicht genau, wie sich die Einsteigs-Schnellschach-Elo berechnet, aber mit etwas Glück könnte ich mit diesem Turnier eine nutzlose, aber furchterregend hohe Zahl erhalten haben. Das werde ich vermutlich im Juni sehen können. Dazu konnte ich einiges an Erfahrung in diversen Sizilianern sammeln, bei insgesamt sieben von neun Partien in verschiedenen Sizilianisch-Systemen.

Sieger wurde IM Aljoscha Feuerstack mit 7,5/9 Punkten, punkt- und feinwertungsgleich mit dem Zweitplatzierten, GM Jan-Christian Schröder. Die Organisatoren entschieden sich aber Aljoscha den Pokal zu überreichen, da sich dieser nicht aufteilen ließ und Aljoscha sich im direkten Duell durchgesetzt hatte. Glückwunsch an den bzw. die Sieger!

Insgesamt hat das Turnier viel Spaß gemacht, wobei meine Ergebnisse so weit über Erwartung meine Sicht vermutlich sehr zum Positiven beeinflussen. Falls die Bargteheider beim Schnellschachformat bleiben wollen, würde ich allerdings darauf hoffen, dass sie von neun auf sieben Runden reduzieren und dafür vielleicht etwas später anfangen — neun Partien Schnellschach an einem Tag sind schon eine Menge, danach waren alle Spieler fix und fertig, und eine spätere Startzeit würde es auch Hamburger Studenten ermöglichen, ausgeruht zum Turnier zu erscheinen.

3 Kommentare

  1. Tolle Leistung, Jakob! Die…

    Tolle Leistung, Jakob! Die Riege deiner Gegner war schon sehr prominent. Und danke für den lebendigen Turnierbericht, der beste Werbung für das nächste Turnier in Bargteheide macht.  

  2. Gratulor

    Gratulation zu diesem tollen Erfolg und vielen Dank für den ausführlichen Bericht ! 

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