Turnierbericht: Hamburger Einzelmeisterschaft 2014

Favorit zu sein ist zwar nett, aber mir persönlich macht es deutlich mehr Spaß, bei Turnieren soviel wie möglich gegen stärkere bis deutlich stärkere Gegner zu spielen. Erfahrungsgemäß punkte ich gegen die stärkeren Spieler auch relativ gesehen besser als gegen schwächere. Daher habe ich mich auf die üblicherweise stark besetzte HEM dieses Jahr besonders gefreut.

Mein Ziel vor dem Turnier war es, mein Vorjahresergebnis von 50% wieder zu erreichen. Bei einem Setzlistenplatz von 17 von 20 Spielern mag das ambitioniert erscheinen, besonders, weil die HEM 2013 bereits ein für meine damalige DWZ starkes Turnier war. Andersherum war die Setzliste nach Elo geordnet, und mit meiner Live-DWZ wäre ich ungefähr sechster gewesen. 4.5/9 wäre also genau die Mitte.

Leider haben die ursprünglich angemeldeten Teilnehmer Clemens Harder und Holger Hebbinghaus am Eröffnungstag noch abgesagt, sodass das Feld nicht ganz so stark war wie erwartet und erhofft.

Ebenfalls am Start waren dieses Jahr noch einige andere bekannte Jugendliche: Daniel Grötzbach und Bardhyl Uksini vom HSK, Carina Brandt aus Wilhelmsburg sowie David Krüger von Eidelstedt. Mit Ausnahme von Bardhyl (8.) waren wir alle auf Platz 16 oder weiter hinten gesetzt.

In der ersten Runde wurde ich mit Schwarz gegen Carsten Dumjahn (SVE) gepaart. Die Auftaktpartie sagt normalerweise etwas über die Form der Spieler in diesem Turnier aus, aber diese war nicht klar zu deuten. Aus der Eröffnung kam ich gut heraus, ließ mich dann völlig überspielen, um dann nach einer nicht funktionierenden Taktik von Carsten doch wieder gut zu stehen und zu gewinnen. Was sagt das nun? Ein etwas glücklicher Punkt, aber ein Punkt.

Gleich danach kam schon der erste Brocken von den vorderen Setzplätzen: Björn Bente (HSK). Mit der Eröffnung war ich wieder voll und ganz zufrieden – eine leicht bessere Stellung in einer Variante, die ich nicht nur mag, sondern in der ich bisher auch 100% gemacht hatte. Tatsächlich stand ich bereits zwei, drei Züge nach dem Verlassen der Theorie auf Gewinn, nur gefunden habe ich ihn nicht. Björn auch nicht, und in der gemeinsamen Analyse blieb er ebenfalls unbemerkt. Erst die Schach-Engine zuhause offenbarte den äußerst hübschen Gewinn:

[chessboard]1k1r1b1r/pp1n1p1p/2pN3n/4q3/P3Np2/6P1/1PQ1PPBP/2KR3R[/chessboard]

Hier geht 18.Sxb7! Kxb7 19.Sd6+ und nach dem einzigen Zug 19…Kb8 habe ich jede Menge Sachen berechnet, aber nicht 20.Sb7!!. Diesen zweiten Springer darf man nicht nehmen, der Turm kann nicht ziehen, also sammelt Weiß erst den und dann den Bauern auf c6 ein. Eigentlich simpel, sobald man auf 20.Sb7 kommt.

Tja, das wäre es gewesen. In der Partie habe ich ruhiger weitergespielt und zwar weiterhin die ganze Zeit über Druck gemacht, aber am Ende nach 63 Zügen doch nur den halben Punkt geholt. Kein schlechtes Ergebnis gegen Björn, aber da wäre mehr drin gewesen.

Wieder mit Schwarz gelang es mir in der nächsten Runde gegen Birger Wenzel (SKJE) mehr oder weniger souverän (eher weniger) den halben Punkt in einer nicht besonders ambitionierten Eröffnungsvariante zu halten.

In Runde 4 wurde ich hochgelost und durfte an Brett 2 spielen – gegen Carina Brandt. Die hatte nämlich 2.5/3 gemacht und dabei Christoph Schroeder (Elo 2209) und Lars Schiele (Elo 2112) sehr überzeugend geschlagen. Das sprach für gute Form. Immerhin hatte ich zum ersten Mal seit fünf Partien wieder Weiß gegen sie. Die Eröffnung verlief wieder gut, aber im Mittelspiel manövrierte ich meine Stellung gekonnt an den Rand einer Niederlage, direkt in ein technisch verlorenes Endspiel. In der Zeitnotphase kurz vor dem vierzigsten Zug erlaubte Carina es mir aber durch das Fressen eines Bauerns, endlich die Türme abzutauschen, wonach ich wieder voll im Spiel war, mit Springer gegen Läufer. Schließlich, nach der Zeitkontrolle, opferte ich alle meine vier Bauern am Königsflügel, um mit König und Springer den Weg nach b8 für meinen letzten verbliebenen Bauern freizuräumen und den gegnerischen Läufer von der entsprechenden Diagonale zu verscheuchen. Das Manöver war zwar insofern inkorrekt, als dass Schwarz einen Weg zum Remis hatte, aber zwischen all den langen Varianten fand Schwarz die korrekte Verteidigung nicht und ich konnte einen weiteren vollen Punkt einfahren. Der zweite Sieg, und wieder mit einer guten Portion Glück dabei.

Damit bekam ich in der fünften Runde dann den Erstgesetzten ab, FM Ruediger Breyther (St. Pauli, Elo 2336). Hier ging ich ziemlich sang- und klanglos ein. In der Eröffnungsvariante kannte ich mich nicht aus, meine Stellung geriet unter Druck, meine Befreiungstaktik war eine Fehlberechnung, und schon war die Partie vorbei. Naja, das passiert eben manchmal.

Mein nächster Gegner war Siegfried Weiss (HSK). Gegen Siegfried habe ich bereits letztes Jahr in der HEM sowie dieses Jahr in den Mannschaftskämpfen Weiß gehabt und gewonnen, und auch in dieser dritten Begegnung zwischen uns hatte ich Weiß. Nach einer d4- und einer e4-Eröffnung habe ich dieses Mal gesündigt und 1.c4 gespielt. Geklappt hat es aber gut, ich habe meine Vorbereitung bekommen, und dann mit eher wackeliger Technik das Turmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern nach Hause gebracht.

In Runde 7 wartete Ralf-Dieter Urban (Union Eimsbüttel) auf mich, der bis hierher nicht nur gut, sondern auch sehr schön gespielt hatte. Die Eröffnung verlief schon wieder erfreulich für mich, denn ich hatte direkt ein angenehmes Endspiel auf dem Brett. Bald war das ein Mehrbauer bei ungleichfarbigen Läufern. Bei meiner Technik in der Verwertungsphase wäre es fraglich gewesen, ob das gereicht hätte, aber mein Gegner stellte unglücklich eine Figur ein, was die Sache dann sofort beendete.

Nach dieser Runde war ich mit 5/7 Punkten alleiniger Zweiter, was den HSK dazu veranlasste, mich auf ihrer Seite als „Sensationsmann vom TV Fischbek“ zu bezeichnen. Leider hielt die Sensation nicht besonders lange, denn schon in der achten Runde verlor ich mit Weiß relativ zügig gegen FM Hauke Reddmann (SKW). Hier hatte ich sogar meine Vorbereitung bekommen, nur war die vorbereitete Variante nicht so gut für Weiß. Das sollte ich in Zukunft lassen.

In der Schlussrunde wurde ich nochmal runtergelost und hatte Schwarz gegen Jamshid Atri (HSK). Vorbereitet hatte ich 1.e4, es kam aber 1.d4. Hups. Nach dem dritten Zug war ich dann aber doch wieder in meiner e4-Vorbereitung, und wir spielten fröhlich unsere 20 Züge Theorie runter. Wenig später opferte ich zwei Figuren für Turm und Bauer, um der Partie etwas mehr Leben einzuhauchen, aber nachdem Weiß noch einen zweiten Bauern aufgab, waren dessen Figuren plötzlich zu gut koordiniert. Wir einigten uns auf Remis.

Mit meinen 5.5/9 Punkten landete ich auf dem fünften Platz, punktgleich mit Platz vier und sechs. Mein ursprüngliches Ziel hatte ich klar erreicht. Die anderen Jugendlichen haben sich insgesamt ebenfalls gut verkauft: Lediglich Daniel Grötzbach landete mit seinem 20. Platz unterhalb seines Setzplatzes, David, Bardhyl und ich belegten die Plätze 6, 5 und 8.

Insgesamt bin ich mit diesem Turnier sehr zufrieden. Bis auf die Partien gegen die beiden FMs bin ich immer gut aus der Eröffnung herausgekommen, und meine Anzahl an Patzer und Figureneinstellern ist erfreulich gering ausgefallen.

Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle an den neuen Hamburger Einzelmeister mit 7/9 Punkten, Ruediger Breyther!

Lobend erwähnen möchte ich noch die ausgezeichnete Versorgung vor Ort. Es gab nicht nur das übliche Angebot von Brötchen, Riegeln und Getränken, sondern es wurden auch jeden Tag zwei frisch gebackene Kuchen mitgebracht. Der Spielort – die gleiche Schule, in der auch die HJET ausgetragen wird – ist normalerweise ruhig, sauber und wohltemperiert, und auch das Spielmaterial ist sehr gut.

Wer möchte, kann die Partien unter http://hamburger-schachverband.de/hem2014/hem2014.htm herunterladen. Ich empfehle besonders die Begegnungen David Krüger – Ralf-Dieter Urban und Carina Brandt – Lars Schiele.

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