Vergangene Woche fanden wie jedes Jahr in den Märzferien in Schönhagen an der Ostsee die Hamburger Jugend-Einzelmeisterschaften statt. Dieses Jahr hatte die neuntägige Jugendreise doppelt soviele Teilnehmer aus Fischbek wie noch 2012: Neben mir kam dieses Mal auch Marvin Machalitza mit.
Das Wetter spielte in diesem Jahr leider überhaupt nicht mit – im Gegenteil, es war so kalt und windig, dass wir in den ersten Tagen den Weg zum Turniersaal nicht ohne Jacke antreten durften. Zusammen mit Schnee und etwas Regen war es so unangenehm, dass die wenigen Raucher unter den älteren Teilnehmern ernsthaft um ihre Gesundheit fürchten mussten (zusätzlich zum Rauchen). Auch wenn Andreas immer wieder darauf hinweist, Schach sei ein Wintersport, hätte ich mir für eine Jugendreise doch angenehmere Temperaturen gewünscht. Auf das Schach jedenfalls hatte das Wetter wenig Einfluss: Während der Runden wurden geschnittene Äpfel und mehrere Sorten heißer Tee angeboten, sodass man sich im warmen Turniersaal ganz auf die Partie konzentrieren konnte.
Der Start ins Turnier lief für uns Fischbeker gut: Da die U20 zwei Runden mehr spielt als die anderen, hatte ich bereits eine Partie mehr auf dem Konto und am Sonttagabend zwei aus drei Punkten, während Marvin bei einem aus zwei lag. Am Montag stand dann die Doppelrunde an. Marvin verlor sein erklärtes Ziel von 50% nicht aus den Augen und holte einen Punkt – ich hingegen legte eine kleine Rochade hin.
In den nächsten zwei Runden wiederholte Marvin seine Performance und hatte in der Mitte der Reise drei Punkte aus sechs Partien – ohne Remis, versteht sich. In den gleichen zwei Tagen spielte ich eine Runde mehr und konnte im vierten Versuch meinen ersten Schwarzsieg verbuchen, nachdem ich in der Schwarzpartie am Abend zuvor unerklärlicherweise in einem Turmendspiel mit vier gegen einen Bauern Remis angeboten hatte. Damit kam ich drei Runden vor Schluss ebenfalls auf eine Punkteausbeute von 50%.
Marvin blieb sich auch in Runde sieben und acht treu und hatte in der Tabelle ein +4 =0 -4 hinter seinem Namen stehen. Bei mir sah es ähnlich aus: Von zwei weiteren Schwarzpartien gewann ich die eine und verlor die andere. In der letzten Runde reichte also beiden von uns ein Remis, um mit 50% abzuschließen (was bei mir auch in etwa der DWZ-Erwartung entsprach). Marvin hat dieses Ziel punktgenau erreicht und dafür satte 61 DWZ-Punkte bekommen – eine sehr gute Leistung! Ich habe das Ziel von 50% knapp verfehlt, allerdings in die positive Richtung: In der letzten Runde gelang mir mit Weiß ein sehr kurioser Sieg gegen die Nummer eins der Setzliste. Nach etwa zwanzig Zügen hatte ich eine gute bis bessere Stellung erreicht, die man schon fast als technisch gewonnen einschätzen konnte. Dafür hatte ich aber sehr viel Zeit investiert, sodass ich, als mein Gegner einen letzten großen Angriffsversuch unternahm, nicht die beste Verteidigung fand. Sie war sogar so mies, dass mein Gegner an einer Stelle mit einer simplen Taktik hätte gewinnen können, was er aber trotz zehnminütigen Nachdenkens nicht fand. Stattdessen opferte er mit acht Minuten auf der Uhr noch einen Turm und bekam Dauerschach. Aus Höflichkeit bat ich deshalb Remis an, woraufhin mein Gegner seine gesamte verbliebene Zeit investierte, nach Gewinnwegen zu suchen. Und zwar buchstäblich seine gesamte – er verlor auf Zeit in einer Stellung mit Remisangebot und einem Dauerschach, das pro Zug 30 zusätzliche Sekunden eingebracht hätte!
[chessboard]6k1/pp3pp1/7p/3p1b2/3NP3/P5q1/1P1Q4/4RK2[/chessboard]Schlussstellung nach 27.Kf1 mit Remisangebot
Damit erreichte ich ein abschließendes Ergebnis von 6 aus 11 Punkten, was mich witzigerweise um 8 DWZ-Punkte reicher und um 4 Elo-Punkte ärmer machen sollte.
Insgesamt sind Marvin und ich mit der HJEM sehr zufrieden. Marvin hat an Erfahrung und Spielstärke hinzugewonnen, und ich habe mein eigenes Ziel – nämlich gute Partien zu spielen – auch größtenteils erreicht. Außerdem gab es dieses Jahr für mich eine Premiere: Ich bin zwar schon seit mehr als der Hälfte meines Lebens auf Endrunde dabei, habe aber erst jetzt zum ersten Mal das Turniergelände verlassen und mir den nahen Strand angeguckt.
Mit seinen 50% ist Marvin denn auch sehr mittig gelandet: Auf Platz 11 aus 21. Mein +1 reichte für einen punktgleichen vierten bis sechsten Platz von 12, was exakt meiner Setzposition nach Elo bzw. nach DWZ entspricht. Einen Pokal konnte ich trotzdem mit nach Hause nehmen: Nachträglich für den Gewinn des Qualifikationsturniers zur U20.
Per aspera ad astra
Freut mich, dass es was genutzt hat, auch wenn's oft weh tat 😉
Hier möchte ich mich auch
Hier möchte ich mich auch noch bei Jörg bedanken, der mich lange zeit mit Bauernendspieltraining gequält hat, welches mir in manchen Situationen den Ar*** gerettet hat.
„Aha“ möchte man jetzt
"Aha" möchte man jetzt spontan ausrufen. Das Zustandekommen einiger Partien war in der Tat schon ein wenig erklärungsbedürftig. Die – meist lesenswerte – Endrundenzeitung liefert hier nicht immer die nötigen Hintergrundinformationen für den uneingeweihten Internetzuschauer. Insgesamt war es, was Jakob betrifft, ein ordentliches und was Marvin betrifft ein prima Turnier. Ich hoffe nur, ihr beide konntet euch bei arktischen Temperaturen ein wenig warm spielen und bei den anstehenden Mannschaftskämpfen ein Feuerwerk zündender (und durchschlagskräftiger) Ideen abbrennen. Mal sehen, welche Waffen in Schönhagen geschmiedet wurden ("Nein Vasily, Holländisch haben die beiden nicht im Programm. Leg`dich wieder hin und träume weiter vom Gewinn des Kandidatenturniers.")