Höhere Zahlen bei den Gegnern, aber noch keine neuen Gesichter: Auch in der dritten Runde der Oberliga Nord-Nord musste die 1. Fischbeker Mannschaft weder das schöne Hamburg verlassen, noch nicht-Hamburger zuhause empfangen.
Zu Gast waren die Schachfreunde der 1. Mannschaft von Schachfreunde Hamburg. Fischbek trat wie schon in der 2. Runde mit Bestbesetzung an, also 1-8. Und auch die Schachfreunde liefen stark auf: Dort kamen 1-9 an die Bretter, ohne Spieler Nr. 8, also genau wie in den ersten zwei Runden auch schon. Die Eröffnungsvorbereitungen der Fischbeker spieler sollten also maßgeschneidert sein.
Dass es für uns ein hartes Stück Arbeit werden sollte, zeigte wieder mal der Blick auf die Ratings der einzelnen Bretter: Lediglich Jürgens Begegnung mit FM Gerrit Hourigan war auf dem Papier ausgeglichen. An allen anderen Brettern stand ein Defizit von 100-200 Punkten zu Buche, in Christophs Fall 50 Punkten.
Auf einen von uns ist aber allen Ratingdifferenzen zum Trotz immer Verlass: Christoph an Brett 1 hielt mit Schwarz souverän und professionell Remis gegen FM Dusan Nedic.
Die anderen Partien entwickelten sich alle eher munter. Jürgen baute sich sehr früh sehr viel Vorsprung auf der Uhr auf; meine Stellung war zweischneidig, aber bis auf den Einschub der Züge a2-a4 und a7-a5 noch Bestandteil einer meiner Dateien; Marco hatte deutlich mehr Raum bei sich abzeichnenden heterogenen Rochaden; Carina und ihr Gegner guckten, wie viele Figuren Weiß auf die erste Reihe stellen kann, wenn Schwarz alle verfügbaren Leicht- und Schwerfiguren auf die a- und b-Linie puzzelt; Alexander hatte auch deutlich mehr Zeit in einer unklaren Struktur; und David hatte sich ein hübsches Zentrum erarbeitet. Nur bei Thomas zeichnete sich früh eine lange und unangenehme Partie ab: eine symmetrische Bauernstruktur mit offenem Zentrum, in welcher sein Gegner das Läuferpaar hatte.
Von dieser ersten Momentaufnahme an ging es leider quasi überall abwärts, beziehungsweise eben nicht aufwärts. Das erste „verschenkte“ Potenzial war Marcos Stellung, der versucht hatte, mit Leichtfiguren in die gegnerische Stellung einzudringen. Die wurden aber umgehend abgetauscht, sodass sich schnell die Hände geschüttelt wurden.
Bei Alexander ließen sich die erzeugten Schwächen am gegnerischen Königsflügel nicht so ausnutzen, wie Alexander sich das wohl vorgestellt hatte. Stattdessen übernahmen die schwarzen Schwerfiguren beide (halb-)offenen Linien und drangen in die weiße Stellung ein. Hier wurden alsbald die Segel gestrichen zum 1:2 für die Gäste.
In die Stellung von Carina hatte ich persönlich nie das vollste Vertrauen — sie aber offenkundig schon. Nach noch ein paar ulkigen Damenmanövern von ihr bot ihr Gegner eine dreifache Stellungswiederholung an, auf welche Carina denn auch einging und den halben Punkt einfuhr.
Aus meiner Sicht erstmal eine Sorge weniger. Leider wurde das Endspiel von Thomas zunehmend unangenehmer. Jürgen bekam bei einer Abtauschsequenz ein Remisangebot von seinem Gegner vorgelegt, welches er aber in Angesicht des Zwischenstands und der noch laufenden Stellungen nicht annehmen konnte — er probierte also sein Glück in einem Endspiel mit einem Bauern mehr, für den Schwarz aber großen Entwicklungsvorsprung hatte.
Unsere ansonsten letzte Weißspieler-Hoffnung, David, musste in generell guter Stellung eine Grundsatzentscheidung treffen:
In der Partie wählte David die sichere Variante 18.Lxb7 Dxb7 19.Txd7 Dxd7 20.Td1, aber leider hat Schwarz nach 20…De6 alle Schwächen im eigenen Lager fest im Griff. Keine zwei Züge später wurden nach einem Friedensangebot die Hände geschüttelt.
Die wahrscheinlich beste Chance für einen vollen Punkt in diesem Mannschaftskampf gab es in meiner eigenen Partie — allerdings gleich für beide Seiten, innerhalb von nur einem Zugpaar:
Schlussendlich habe ich mich für den „soliden“ Zug Tad8 entschieden. Die Engine braucht natürlich nur Bruchteile einer Sekunde um zu verkünden, dass die Varianten nach 22…Dd6 alle gewinnen: in der ersten mit 23.e5 braucht es gar kein forciertes Matt, Schwarz steht nach 26…Lf7 (und etlichen anderen stillen Zügen) super; in der zweiten Variante mit 24.f4 Sg4 25.e5 funktioniert 25…S6xe5!, wobei man sehen muss, dass 27.fxe5 Dxe5 nicht gegen 28.Lf4? verliert wegen Dxe1+ Txe1 Txe1 mit Grundreihenmatt dank der ganzen Leichtfiguren um den König; und in der dritten Variante gewinnt nach 25.f4 auch alles für Schwarz, inklusive Sg4. Tja, Chance verpasst.
Für den Zug 22…Tad8 hatte ich noch extra sichergestellt, dass Weiß nicht meine Dame fangen kann mit dem Trick 23.Sd5 nebst Lc5 (was eine frische Drohung ist, da 22.Ld3 von Weiß gerade erst den e4 überdeckt hat): Schwarz hat Sxd5, was der Dame das Feld c3 gibt. Aber was höre ich da? Tad8 verliert doch die Dame?
Glücklicherweise ließ auch mein Gegner seine Chance aus und spielte mit 23.S3e2 einen Prophylaxezug gegen das zu spät als gefährlich erkannte Dd6. Im weiteren Partieverlauf ergab sich dann für beide Seiten nicht mehr viel, und auch hier wurde der Punkt geteilt.
Beim Stand von 2,5:3,5 für die Gäste richtete sich also der Blick auf die verbleibenden beiden Partien: Jürgen und Thomas. Leider ging es auch hier immer weiter bergab.
Thomas‘ Gegner machte genau das, was ein Läuferpaar so gefährlich macht: Er tauschte im günstigen Moment einen der beiden Läufer ab, in diesem Fall gegen Thomas‘ Springer, um ein noch besseres Leichtfigurenendspiel mit gleichfarbigen Läufern zu erhalten. Mit dem König hinter dem eigenen a7-Bauern eingesperrt versuchte Thomas noch ein Pattmotiv aufzubauen, aber darauf ließ sich der Gegner nicht ein — das war das 4,5 für die Gäste.
Bei Jürgen ging es demnach also nur noch um die Optik, nicht mehr um die Mannschaft. Aber auch Jürgens Stellung war zusehends unappetitlicher geworden: Um die gegnerische Aktivität einzudämmen hatte Jürgen angefangen, Bauern zurückzugeben. Nur war da kein Ende der Zahlungen in Sicht: Aus einem Vorsprung von einem Bauer wurde erst Gleichstand, dann -1 und schließlich -2. Letzte Hoffnung war noch, dass Schwarz mit dem a- und b-Bauern nicht gewinnen könnte, wenn nur noch weißfeldrige Läufer da sind — ein Opfer von Jürgens Läufer gegen den b-Bauern würde reichen, um durch einen Sprint des Königs zum Feld a1 den falschen Randbauern zu egalisieren. Aber das ließ der Gegner nicht zu und verwandelte zum Endstand von 5,5 : 2:5 für die Gäste, ohne Niederlage.
Stark gespielt von den Schachfreunden! Wir lassen uns aber nicht entmutigen und treten in der nächsten Runde frisch und erholt an — in Kiel.