"Hier war ich seit zehn Jahren nicht mehr", "Hier war ich schon seit zwanzig Jahren nicht mehr" — die erfahreneren Spieler unserer Mannschaft schienen sich noch vage an den Spielort der Union Eimsbüttel zu erinnern. Für mich jedenfalls war es eine Premiere.
Auch dieses Mal wurde Philip Reichhardt durch Hubert Kopyto ersetzt. Unsere Gegner rückten ebenfalls mit Ersatzleuten an, wodurch wir plötzlich sogar die Rating-Favoriten in dieser Begegnung waren. An den mittleren vier Brettern waren wir von der DWZ her leicht unterlegen, an den äußeren dafür um jeweils 100 Punkte drüber. Die Strategie "außen punkten, innen halten" lag also auf der Hand.
Der Spielort selber machte einen ziemlich soliden Eindruck. Viel Platz, wenig Hintergrundgeräusche, jeder mit einem eigenen, großen Tisch, dazu Wasser, Kaffee und Cola. Offenbar war ich der einzige der Anwesenden, der es deutlich zu kalt fand — ich habe meine ganze Partie mit Schal gespielt. Vielleicht lag das aber auch daran, dass mein Tisch am nächsten an der Tür nach draußen stand, durch die regelmäßig Raucher verschwanden.
Der Beginn des Mannschaftskampfes war eigentlich recht vielversprechend. Die Eimsbüttler schienen sehr gerne obskure Eröffnungen zu spielen, mit so schönen Dingen wie Aljechin oder 1.e4 e5 2.Sf3 f5. Mein Gegner investierte nach sechs Zügen erstmal eine Viertelstunde Bedenkzeit, um dann im Blitztempo doch die theoretische Hauptvariante zu spielen. Andreas Gegner hatte einen ähnlichen Zeitverbrauch in den ersten paar Zügen, ohne dass etwas seltsames passiert war. Und Thomas Peters war fleißig dabei, Linien gegen einen unrochierten König zu öffnen.
Der erste Eindruck hielt leider nicht lange an. Christoph Serrer konnte nach einem originellen Manöver seines Gegners nicht mehr d2-d4 durchsetzen und hatte Mühe, Fortschritt zu erzielen. Thomas Gegner schaffte es irgendwie, seinen König in Sicherheit zu bringen und dabei nicht unterzugehen. Denis Schermer musste in einer Tarrasch-artigen Struktur mit Schwarz etwas aufpassen, machte aber einen konzentrierten Eindruck. Bei Alexander Schneider hatte der Gegner den Großteil seiner Figuren ins Spiel gebracht; nach dem erhofften leichten Weißsieg sah das nicht aus. Andreas suchte in einer etwas ulkigen Struktur nach dem rechten Aufbau, hierzu hatte ich auf die Schnelle keine Einschätzung parat. Mannschaftsführer Nikolas Egelriede hatte die Art von offener Stellung, in der er schon öfter gepunktet hat, aber in einer unklaren Version. Und bei Ersatzmann Hubert hatte ich leichte Sorgen um seinen König. Lediglich meine Stellung sah wirklich vorteilhaft für uns aus, hier hatte mein Gegner die riskante Entscheidung getroffen, meine g-Linie zu öffnen und kurz zu rochieren.
Im weiteren Verlauf des Mannschaftskampfes wurde das Bild nicht besser. Thomas und Alexander machten beide Remis, und Christoph einigte sich ebenfalls relativ schnell auf eine Punkteteilung. Das waren schonmal drei unserer Weißpartien. Bei Nikolas drangen plötzlich mehrere Türme in die weiße Stellung ein und zwangen ihn zur Aufgabe. Das waren schonmal 0,5/2 an den äußeren, nominell überlegenen Brettern. Denis musste unterdessen eine stärker werdene Initiative am Damenflügel abwehren, was bei den zentralisierten weißen Figuren nicht einfach aussah. Bei mir selbst habe ich im kritischen Moment viel Zeit investiert und viel gerechnet, am Ende aber wohl doch den falschen, zu zahmen Zug ausgewählt. Statt einen Bauern zu geben und anzugreifen hatte ich jetzt ein Endspiel mit der Dame gegen zwei Türme, das fast unverlierbar war, aber eben nicht so leicht zu gewinnen wie gedacht.
Kurz vor meiner Zeitkontrolle musste Andreas dann das Handtuch werfen. Was genau hier passiert ist, habe ich in dieser Phase nicht verfolgen können. Dafür konnte Hubert ausgleichen — also, zum Rückstand von einem Punkt ausgleichen. In der Annahme, dass Denis bestenfalls ein Remis halten könnte, ich also den vollen Punkt mache musste, begann ich also mit einem etwas waghalsigen Königsmarsch mit der Idee Kg7-f6-f5-f4-xf3. Klingt gut, ist aber schwierig, wenn der Gegner in der Zeit seine Türme verdoppeln kann. Bis wir soweit waren, hatte denn auch Denis seine Partie aufgegeben. Offenbar hat sich hier die weiße Initiative durchgesetzt. Damit war meine Partie für das Gesamtergebnis nicht mehr relevant, sodass ich schleunigst die mittlerweile nicht mehr gewinnbare, wohl aber verlierbare Stellung zu einer Art Dauerschach manövrierte. Ob das wirklich ein Remis war, war nicht kristallklar, aber mein Gegner hatte zu der späten Stunde keine Lust mehr, es zu überprüfen.
Insgesamt also 50% außen und 1-3 an den inneren Brettern, das war zu wenig. Endstand: 5:3 aus Sicht unserer Gastgeber. Gegen Eimsbüttel in Bestbesetzung wäre das kein erschütterndes Ergebnis gewesen, aber bei einem solchen Plus wie hier doch schade.