Der Mensch steht bekanntlich am Ende der Nahrungskette. Natürlich gilt dies auch für den homo ludens, den (schach-)spielenden Menschen. Und so manches Kettenendglied belässt es nicht allein bei der eingangs getroffenen Feststellung, sondern versucht diese durch aktives Tun zu untermauern. Nicht selten, indem es sich nicht nur ans Ende der Nahrungskette sondern auch ans Schachbrett stellt oder setzt. Die nachfolgenden Skizzen sind zwar rein fiktional, beruhen aber auf Ereignissen, die sich so oder so ähnlich auf Schachturnieren und bei Mannschaftskämpfen zugetragen haben.
Hamburger Mannschaftsmeisterschaften 2010. Bezirksliga. Wir spielen auswärts bei Isolani Harvestehude (Name geändert; der Verfasser). Zu fortgeschrittener Stunde zeichnet sich die entscheidende Phase im Mannschaftskampf ab. Die Anspannung steigt bei beiden Teams merklich an. Diejenigen, die ihre Partien bereits beendet hatten, scharrten sich kiebitzend um die restlichen Bretter, an denen noch hartnäckig gekämpft wurde. Die Anspannnung hatte alle gepackt. Alle? Nein, ein Wurststulle, die sich im Besitze eines älteren Harvestehuder Kiebitz befand, war lediglich von Butterbrotpapier (ein-)gepackt bis sie von seinem Besitzer direkt neben den beiden Kämpen an Brett 1 geräuschvoll wieder entpackt wurde. Doch damit nicht genug. Nahrungsaufnahme kann sich nämlich so oder so gestalten. Während man sich am japanischen Kaiserhofe sättigt, indem man sich die ätherischen Inhaltsstoffe der Lebensmittel dezent zufächelt, geht`s in unserem Kulturkreis deutlich rustikaler zu. Und am rustikalsten bei Schachturnieren. Wenn nur noch das Ticken der Schachuhr zu hören ist, gleicht der Biss in eine Wurststulle einen akkustischen Donnerwetter, welches die berühmten Trompeten von Jericho in den Schatten zu stellen vermag. Die Konzentration der Spieler, sofern sie nicht wie der berühmte Tigran Petrosjan stockschwerhörig sind, ist in einem solchen Moment natürlich perdu. Nur ficht das unseren Schachfreund aus Harvestehude nicht an. Weder böse Blicke, noch energisches Zischeln oder ein an den Mund gehaltener Zeigefinger vermögen den hungernden harvestehuder Schachfreund jetzt noch davon abzubringen, auch die restliche Stulle zu vertilgen. Das mitgebrachte Zeugs muss runter.
Die Spielbedingungen an Brett 1 werden derweil immer härter. Abgesehen davon, dass die Luft um das Spitzenbrett herum schlagartig den Geruch von Wursttheke annimmt, lässt uns unser harvestehuder Schachfreund und Gipfel der Nahrungskette noch als Ohrenzeugen am weiteren Verdauungsvorgang seiner Wurststulle teilhaben. Magensäfte und die Darmperistaltik sorgen für eine entsprechende Geräuschkulisse, die das Schachspielen jetzt zu Hölle machen. Unserem Spitzenbrett treibt´s derweil die Zornesröte ins Gesicht. Ich bin mir sicher, dass er seit geraumer Zeit nicht mehr über das Springeropfer auf e6 nachdenkt, sondern über eine gezielte Links-Rechts-Kombination an das Kinn des Stullenliebhabers. Nur die Zeitüberschreitung seines Gegners verhindert in diesem Moment Schlimmeres.
Fazit: Schach und Schmackofatzen verträgt sich einfach nicht. Nachdem bereits vor Jahren die Raucher vor die Tür verbannt wurden, sollten sich die Hungernden ein Beispiel daran nehmen und ihrem Genuss im Kreise anderer Hungernder nachgehen. Oder einfach ganz mit dem Essen aufhören.
P.S.
Wie man bei Kaisers am Hofe isst, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Ich befürchte, dass es dort ganz profan und bürgerlich zugeht – mit Sushi und mit ketchuptriefenden Hamburgern.
P.P.S.
Schön wäre es, wenn das Thema "Nahrungsaufnahme" den einzigen Anlass für etwaige Verstimmungen rund um den Schachsport bieten würde. Mir sind beim Schreiben dieses Artikels noch etliche Themen eingefallen. Mehr dazu demnächst auf dieser Website.