Landesliga Runde 3 – Großhansdorf bei uns

Der Start in die Landesligasaison 2025/26 war holprig: zwei 3,5:4,5-Niederlagen in Folge. Für Runde 3 war die Hoffnung, ein kleines bisschen mehr als das zu holen. Der Gegner: Großhansdorf, eines von zwei Teams in der Liga mit einem GM an Brett 1.

Das Problem mit dem GM konnten wir aber schon im Vorfeld abräumen, wenn auch nicht in unserem Sinne: Christoph Serrer, unser Elder Statesman an Brett 1 und in dieser Funktion immer für ein solides Remis gegen beliebige Titelträger gut, musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen. So kurzfristig, dass das Brett 1 dann frei blieb und GM Matthias Wahls den weiten Weg nach Fischbek ganz umsonst gekommen war.

Wobei, nicht gänzlich umsonst: Ein Highlight des Mannschaftskampfes fand abseits der Schachbretter statt, nämlich auf den Obstbrettern im Vorraum. Carina hatte wieder einiges vorbereitet:

Carina hat für gesunde Snacks in ansprechender Form gesorgt

Mit einem 0:1-Rückstand starteten wir also in die Partien. Neben GM Matthias Wahls war noch IM Anita Gara angereist, aber ansonsten keine weiteren IMs oder 2200er aus dem Großhansdorfer Schwergewichts-Vorrat. Unser Brett 2 würde also eine knifflige Aufgabe haben, aber der Rest des Teams sollte zumindest in Schlagdistanz sein. Also noch alles drin.

Die erste Partie war wohl die von Alexander Schneider. Hier ist mir nicht nur die Partie entgangen, sondern auch Alexander: Direkt vor dem Mannschaftskampf war ich noch mit Vorbereitung beschäftigt gewesen und habe gar nicht alle anderen begrüßt; und Alexander war schon fertig und abgereist bevor ich meine erste Zuguck-Runde bei den anderen Brettern gedreht hatte. Da standen die Könige schon nebeneinander in der Brettmitte um das Remis zu signalisieren, und ich konnte nur anhand des Durchschlags des Partieformulars erkennen dass hier Alexander am Werk war. Die Partie selber habe ich nur im Nachhinein gesehen, und sie war kurz und unaufgeregt. Solides Schwarzremis: 0,5 zu 1,5 gegen uns.

Hier ist der Beweis: Alexander Schneider war da. Im Hintergrund GM Matthias Wahls ohne Gegner.

Direkt aus der Eröffnung heraus abgeschrieben habe ich mein Nachbarbrett: Marco Rolf an Brett 2 hatte mit IM Anita Gara eine herausfordernde Gegnerin, die auch gleich mit Schwarz im vierten Zug einen Bauern opferte für offenes Spiel. Marcos Reaktion war zwar objektiv völlig okay, aber meinem Empfinden nach nicht selbstbewusst genug vorgetragen, sodass ich hier rein emotional schonmal eine Niederlage für uns einkalkuliert habe, egal wie die Stellung aussieht. Und die sah leider ziemlich schnell ziemlich traurig aus, denn in Zug 15 sah sich Marco bereits genötigt, nicht etwa den Mehrbauern zurückzugeben, sondern gleich eine Dame gegen eine Sammlung Kleinkram zu spucken. Die Partie lief noch eine Weile weiter, wobei Marco sein Bestes gab noch eine Festung zu konstruieren, aber die Gegnerin zerpflückte die weiße Verteidigung mit beeindruckender Routine. 0,5 zu 2,5 gegen uns.

Brett 2: Marco Rolf – IM Anita Gara

Aber schauen wir uns mal mehr um. Von hinten nach vorne: David Serrer an 8 hatte eine Stellung mit formell einem Mehrbauern. Hängende Bauern bestehend aus zwei c- und einem d-Bauern, eine interessante Variation eines bekannten Stellungstyps. Dafür hatte der Gegner gute Diagonalen für die Läufer.
Denis Schermer an 6 hatte einen hübschen Fianchettoläufer und war gerade fleißig dabei diesem die lange Diagonale freizubaggern, auf der Schwarz mit Bauern auf b7, c6 und d5 doch arg viel Geröll aufgebaut hatte.
Carina Brandt an 5 hatte ihre typische Französisch-Struktur mit einer ungewöhnlichen weißen Leichtfigur auf d4 und wirkte eigentlich ganz zufrieden.
Bei Mannschaftsführer Jürgen de Voogt an 4 war gefühlt die gleiche Stellung auf dem Brett wie immer: Jedem Abtausch aus dem Weg gehend, alle Figuren auf dem Brett behaltend und nur darauf wartend sich auf den schwarzen König stürzen zu können. Objektiv vermutlich ausgeglichen, aber hier war ich guter Dinge. Jürgens Gegner stellen diese Art Stellung immer zwischen Zug 25 und 35 ein.
Und bei mir? Ich war ab Zug 6 raus aus der Theorie, aber ab Zug 8 hochzufrieden mit der entstandenen Struktur. In einer Carlsbad-Struktur mit riesigem Loch auf e4 war ich mit den schwarzen Steinen zuversichtlich, dass ich entweder optisch souverän gewinnen würde oder so um Zug 35 herum billig etwas einstellen.

Also insgesamt noch alles drin in diesem Kampf.

Auch noch alles drin: Der zweite Obstteller

Bei den meisten anderen Brettern wurde es dann bald wild. Denis hatte es endlich geschafft sämtlichen Sperrmüll entlang der h1-a8-Diagonale zu entsorgen, inklusive des schwarzen Turms auf a8. Die Abwesenheit des Fianchettoläufers versuchte Schwarz aber mit …Lg4 und …Lc5xf2+ auszunutzen. Der weiße König hatte schon ziemlich Zugluft, und Schwarz hat bestimmt lange an möglichen Gewinnen gerechnet bevor hier dann doch ein Dauerschach gegeben wurde. (Gut für meine Nerven! Eine schwer taktische Partie weniger zum Im-Auge-Behalten.) 1 zu 3 gegen uns.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zu meiner Partie:

Anatolij Paul – Jay Lilian Kneip
Stellung nach 23…Kf7 von Schwarz
Keine Taktikaufgabe, nur allgemeine Tristheit im weißen Lager. Schwarz hat alles was man in der Carlsbad-Struktur möchte: Einen Springer auf d6, Hebel am Königsflügel und als Bonus die riesigen Schwächen auf e3 und e4. Jetzt bloß keine Dummheiten machen und dann nach Zug 40 gemütlich einen Gewinnplan finden.

Kleine strukturelle Lektion: Der Minoritätsangriff mit b2-b4 funktioniert hier überhaupt nicht, weil Schwarz auf b2-b4 sofort mit …b7-b5 antwortet und dann …Sc4 macht, mit großem Vorteil für Schwarz. Das ist ein typisches Manöver und der Grund weswegen ein Springer auf d6 im Abtauschdamengambit so stark ist.
Wenn der Springer stattdessen auf d7 stünde, käme nach b2-b4 …b7-b5 wohl direkt a2-a4, was Schwarz nicht die Zeit zu …Sb6(-c4) gibt, und auf …a7-a6 dann sofort a4-a5. Dann käme der Springer nicht mehr nach c4 und der c6 wäre eine Schwäche.
Deshalb ist es mit Springer auf d7 oft gut …a5 zu machen, denn dann muss Weiß b4 mit a3 vorbereiten, und die Sequenz b4 axb4 axb4 b5! nebst …Sb6-c4 geht wieder auf für Schwarz — solange der c6 nicht sofort hängt, denn es dauert ja trotzdem einen Zug länger nach c4 als von d6 aus.

Aber genug von mir erstmal, schauen wir zu David Serrer an Brett 8. Dort wurde folgende Stellung Remis gegeben:

David Serrer – Torsten Limbach
Stellung nach 17.h3(=) von Weiß

Ja, Weiß hat einen Bauern mehr, aber die schwarzen Läufer sind nicht zu verachten. Und Schwarz greift natürlich gleich den c4 an. Etwa so würde ich mir eine normale Fortsetzung vorstellen: 17…Lb7 18.Lc2 Tac8 19.Ld3 und Weiß ist immer noch etwas hinten dran mit der Entwicklung, weswegen Schwarz mit Kram wie …Tfe8 und …e5 bestimmt eine Menge Chaos stiften kann. Die Läufer schauen auch echt bebrohlich drein.

David hatte also offenbar vollstes Vertrauen in den Rest des Teams den Rückstand von 1,5 zu 3,5 noch aufzuholen. Ob berechtigt oder nicht würde sich zeigen.

Aus David wird auch mal ein Elder Statesman

Zumindest hinsichtlich Jürgen de Voogts Partie war das Vertrauen von David gerechtfertigt. Die Partie entwickelte sich wie oben skizziert eine Partie von Jürgen aussehen muss:

Jürgen de Voogt – Ralph Ennenbach
Stellung nach 20…Kxg7 von Schwarz
Schwarz meldet am Damenflügel gierige Ambitionen an. Nach 21.Df4 wurde aber direkt der Rückwärtsgang eingelegt mit 21…Dd8 22.Df6+ Kh8 23.Se3, und Schwarz verlor prompt die Nerven angesichts der heranrückenden Springer. In den nächsten drei Zügen kam von Weiß noch Se2-f4 und Se3-g4, und Schwarz ließ sich das Matt nichtmal mehr zeigen, sondern gab sofort auf. (Immerhin erst in Zug 26, also noch gerade so innerhalb meiner Prophezeiung zu Jürgens Partien.)
Der Mannschaftsführer am Werk: Jürgen de Voogt

Damit stand es nur noch 2,5 zu 3,5 gegen uns, mit den Partien von Carina und mir als Schlusslichter. In meiner eigenen Partie war ich fleißig dabei meine Prophezeiung auch für mich umzusetzen:

Anatolij Paul – Jay Lilian Kneip
Stellung nach 32.a4 von Weiß
In den 10 Zügen seitdem wir die Partie gesehen haben hat Schwarz …Tac8 und …b6 gemacht. Und noch was? Obst gegessen und mit dem Springer herumgeeiert. Es soll ja nur Zeit bis Zug 40 überbrückt werden ohne Einsteller. Apropos: Sollten wir die weiße Dame nicht mittels …Db7 rauswerfen? Dachte ich auch, nur dass mir mit der Dame schon in der Hand auffiel, dass dann 33.Dxb7 Sxb7 34.Sxd5 einen Bauern gewinnt weil mein c-Bauer gefesselt ist. Tja, berührt geführt. Die Dame hat aber kein anderes Feld außer b7 auf das sie ernsthaft gehen kann, also: Pech gehabt, 32…Db7 wurde gespielt. Immerhin geht obige Variante 33.Dxb7 Sxb7 34.Sxd5 weiter mit 34…La3 35.Ta1 cxd5 36.Txc8 Txc8 37.Txa3 und dann „etwas“ von Schwarz, und gegen einen so dämlichen Turm und Läufer muss ich ja wohl mindestens okay stehen.

Mein Gegner hat nach 32…Db7 ohne weitere Bedenkzeit zu investieren 33.De2 gespielt, womit das ganze Thema dann vom Tisch war, aber ein Schreckmoment war es doch.

Bei Carina am anderen Brett war die Lage auch unübersichtlich:

Dennis Wilde – Carina Brandt
Stellung nach 19…Sc8 von Schwarz
Weiß hat gerade auf a8 die Dame gegen zwei Türme gegeben und Schwarz zu dem wackeligen …Se7-c8 gezwungen. Wenn Schwarz die Zeit bekäme die Probleme entlang der Grundreihe zu lösen wäre alles super, aber kriegt man die? Weiß versuchte es hier mit 20.Lb6 mit der Idee gleich Sd4 zu spielen, auf d4 mit den c-Bauern zu schlagen und dann mit Lc5 die Dame vom Sc8 abzuschneiden und diesen zu gewinnen. Klingt gut, sieht auch erstmal gut aus, aber am Ende der Variante wartet eine Überraschung auf Weiß:
Dennis Wilde – Carina Brandt
Stellung nach 23.Lc5 von Weiß
Schwarz rettet sich mit 23…b6!, weil nach 24.Txc8 bxc5 25.dxc5 Dxb5 die beiden Türme zu unkoordiniert sind. Weiß verliert mindestens einen von b- und c-Bauer direkt, und den anderen wahrscheinlich spätestens im Tausch gegen den schwarzen d-Bauern, der zur Ablenkung vorrücken kann. Weil nebenbei auch noch der f4 gedeckt gehalten werden muss und der weiße König kein sicheres Versteck hat kommen die weißen Türme zu nichts. Remis!

Das war das 3:4 gegen uns, aber ein Mannschaftspunkt könnte ja noch drin sein.

Carina farblich passend zur Obstplatte gekleidet

Blieb noch meine eigene Partie. Nach der kurzen Panik in Zug 32 entschied ich mich die Zeit bis zum 40. Zug lieber mit so unverfänglichen Manövern zu verbringen wie …Kf7-g7-f7-e6-d7-e6-d7, und dann war die Zeitkontrolle auch schon erreicht. (Und d7 war ein viel besseres Feld als f7, es hat also sogar was gebracht.) Erst nach der Zeitkontrolle wollte ich ernsthaft nach einem Gewinnplan suchen. Die Optionen: Entweder auf Matt spielen (finde ich immer doof) oder einen Damentausch forcieren und das Endspiel noch dreißig weitere Züge lang massieren (yay!).
Um das zu erreichen wurde zuerst das Auf-Matt-Spielen etwas angetäuscht, um dann umzuschwenken und mit einer Invasion der Dame zu drohen, die hoffentlich nur durch einen Tausch derselben abzuwenden wäre.

Anatolij Paul – Jay Lilian Kneip
Stellung nach 45…Db7-a6 von Schwarz
Schwarz „droht“ Dd3 zu spielen, und auf 46.De2 von Weiß würde ich sofort tauschen und das Endspiel genießen. Es gibt nur einen potenziellen Haken an …Da6: Es lässt den d5 ungedeckt. Weiß könnte den Trick 46.Sxd5 probieren, und dann wäre folgendes forciert: 46…cxd5 47.Txc8 Sxc8 48.Dxd5+ Td6 (auf Sd6 käme Dc6+ nebst d5) 49.Df7+, und wenn ich dort 49…Lf6-e7 spielen müsste und 50.Lxh4 zulassen wäre die Variante Käse für Schwarz. Aber es gibt stattdessen 49…Se7, und das deckt alles was irgendwie hängen könnte. Also ist Da6 spielbar!
In der Partie probierte Weiß denn auch genau dieses Figurenopfer aus und war nach 48…Td6 und 49…Se7 sichtlich enttäuscht. Die Aufräumarbeiten dauerten auch nicht mehr lange, denn nach 50.Tc4 konnte ich 50…Da8 nebst …Dg8-g7 machen, die weiße Dame bis nach h6 scheuchen und dort zum Abtausch zwingen. Auf …Dg7 kam die Aufgabe.
Ich

Vielen Dank an dieser Stelle an Andreas für die Fotos!

Endstand 4:4, ein Unentschieden. Ziemlich gut dafür dass wir an Brett 1 einen kampflosen Punkt abgegeben und auch sonst (bis auf Jürgen und mich) eher weniger bis deutlich weniger Rating auf dem Papier mitgebracht haben. Eine schöne Teamleistung!

Der erste Mannschaftspunkt ist bekanntlich der schwierigste. Jetzt, wo das Team herausgefunden hat, dass man auch mehr als 3,5 Brettpunkte in einem Kampf holen kann, schlage ich vor, dass wir als nächstes versuchen, sogar 4,5 Brettpunkte zu holen. Auf geht’s!

Ein Kommentar

  1. Top Bericht, Jay, danke dafür! Als Bonus sogar mit gratis Damengambit-Lektionen, die hoffentlich nicht nur in der Landesliga-Mannschaft Beachtung finden werden.

    Ich war etwas überrascht, dass Du nach weniger als zehn Zügen in dieser (meinem Eindruck nach) „Standard Pillsbury-Angriff“-Stellung schon über 40 Minuten verbraucht hattest. Vorbereitung vergessen?! 😉

Kommentar hinterlassen