Ein Fischbeker bei der Hamburger Blitz-Einzelmeisterschaft

 

In diesem Jahr habe ich wieder einmal an der Blitzmeisterschaft in Hamburg teilgenommen. Vor vielen Jahren hatte ich dieses Ansinnen aufgegeben, weil mir einige Teilnehmer zu verbissen agierten und ich häufig eher frustriert war, weil Blitzen nicht wirklich meine bevorzugte Disziplin ist.

 

So traf man sich wie üblich in der Kantine der Versicherungsgesellschaft in der City Nord und – wie die Dinge sich gleichen – sah ich mich genötigt, dem Turnierleiter Marcus Möhrmann mein mitgebrachtes Spielmaterial zu präsentieren um darzulegen, dass ich etwas mitgebracht hatte. Wieder einmal (siehe Hamburger Pokalmannschaftsmeisterschaft) war die Bereitschaft der Spieler nicht gegeben Spielmaterial mitzuschleppen. Eigentlich hätte man nach der Regel das Doppelte an Brettern, Figuren und Uhren haben müssen. So reichte es gerade eben für neun Spielplätze. Und leider waren einige Spielsätze wohl dem Schulschach entlehnt – so schlecht, so alt und durchmischt war dieses.

 

Jonas Lampert blieb an einem Brett sitzen und drehte immer. Er musste mit einem Figurenset leben, wo die schwarzen Figuren stark marmoriert sind und die Bauern und Läufer fast identisch aussehen. Ich hatte in der Partie gewisse Schwierigkeiten, diese beiden Figurenarten optisch zu unterscheiden.

 

Mit dem vom Fischbeker Schachklub entliehenen Spielmaterial kam ich mir quasi peinlich und snobistisch vor, weil dieses die anderen weit an Qualität, Homogenität und Güte übertraf. Es fehlte eigentlich nur noch ein „Wellen-Plan-Brett“ des Schachklubs Wilhelmsburg, transportiert fest gerollt im Rucksack.

 

Insgesamt hatten sich also 18 Schachspieler eingefunden. Bei mehreren hundert Spielern im Hamburger Verband ist dies erschreckend und deprimierend wenig. An dem gleichen Tag war eigentlich auch das Endspiel der Hamburger Pokalmannschaftsmeisterschaft angesetzt. Diese hatten jedoch bereits am Vortag gespielt. Dies sicherlich, damit sie am Sonntag bei der Blitzmeisterschaft teilnehmen konnten – mitnichten. Es wurde keiner der Spieler gesichtet.

 

Die Abschlußtabelle findet der geneigte Leser unter

 

http://www.hamburger-schachverband.de/turniere/hbem12fin.htm

 

 

Nun ist es natürlich im höheren Sinne Blödsinn, sich über die Ergebnisse oder den Verlauf von Blitzpartien zu unterhalten. Ich bin mit meinem Ergebnis sehr zufrieden und es wären theoretisch mindestens 2,5 Punkte mehr drin gewesen. Gegen den späteren Sieger stand ich beispielsweise klar auf Gewinn, hilft nur leider nicht, wenn ich mich selbst einzügig mattsetze. Aber das alles muss man nicht ernst nehmen. Leider trifft das nicht auf das Verhalten aller Spieler zu. Immerhin kann ich positiv berichten, dass ein bekannter Mensch, der auch die Qualifikation schaffte, im Gegensatz zu früher, nicht wie ein Irrer auf die Schachuhr eindrosch. Nicht ablegen kann er, trotz jahrelangen Schachspielens, seine übersteigerte Nervosität, die bedenklich wirkt.

 

Leider musste ich Zeuge werden, wie der Siebt- und Zwölfplatzierte ihre Partie „behandelten“. In einem Remis-Turmendspiel wurde das Ergebnis im wahrsten Sinne des Wortes ausgeblitzt – also es gewann Einer nach Zeit und der Andere hatte noch eine Sekunde auf der Uhr. Der Erstgenannte hat den Vorteil, dass er motorisch sehr schnell in der Lage ist, die Züge auszuführen. In meiner Partie war ich auch sein Opfer, nachdem ich ihn positionell überspielt hatte und auf Gewinn stand, zudem mit Zeitvorteil, aber dann plötzlich durch Zeitfall verloren hatte. Im Grunde sind hier diesem Spieler mindestens zwei Punkte zu subtrahieren und somit wäre der vorvorletzte Platz richtig gewesen.

 

Wer sich einmal mit den Blitzturnieren der Weltelite beschäftigt hat, wird bemerkt haben, dass diese Supergroßmeister dies nicht tun – das Über-die-Zeit-heben-in Remisstellung. Ob man diese Unart auf Vereinsniveau jemals ausmerzen wird?

 

Als weitere Skurrilität kann ich von meiner Partie gegen den Letztplatzierten berichten. Nachdem ich die mechanische Uhr gestellt hatte und er dies mitbekommen hatte, sah er sich trotzdem genötigt, die Einstellung zu prüfen und zu korrigieren. Er gab mir die Uhr danach mit den Worten wieder, ich möge doch nun die Einstellung prüfen, weil er leider größere Sehschwierigkeiten habe und kaum etwas erkennen könne…

 

In der letzten Runde saß ich nun wieder am Fischbeker Brett und freute mich darüber. Doch was war das? Die Schachuhr war weg und stattdessen stand dort eine Uhr, deren Konstruktion ich noch nie zuvor gesehen hatte. Die Schriftzüge schienen osmanisch zu sein und das Gerät hatte nur einen Ein- und Ausschaltknopf – bizarr. Nach der Partie erklärte der Turnierleiter, dass die Fischbeker Uhr irgendwann in den Runden davor für defekt erklärt wurde. Des Rätsels Lösung: Die Spieler waren nicht in der Lage, die Uhr zurückzustellen, obwohl es sich um das verbreitete Modell handelte, welches beispielsweise auch auf dem Massenturnier Ramada-Cup Verwendung findet.

 

Meine beste Partie war gegen FM Behrhorst, den ich in einfacher Weise schlicht positionell überspielt habe und diesen Sieg widme ich Andreas Wanke.

 

2 Kommentare

  1. Danke!

    Vilen Dank, lieber Dennis, für diesen Bericht. Nochmals habe ich Tränen gelacht. 
    Bitte komm doch mit nach Pinneberg, notfalls nur als Berichterstatter.

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