Deutschland-Cup 3. Tag

Originell sind die Überschriften zum Turnier in Wernigerode sicher nicht. "Deutschland-Cup 3. Tag" klingt sachlich-nüchtern, ja eigentlich eher nach trockenem Amtsdeutsch. Leselust wird damit sicher nicht geweckt. Wenn ich heute aber eine prosaische Überschrift hätte wählen sollen, dann vielleicht "Geräusche".

Zu Beginn der 3. Runde wurde meine Konzentration gleich auf eine harte Probe gestellt. Ein infernalisches Geräusch drang aus kürzester Distanz tief in meinen Gehörgang. Verursacher war – Denis! Was zum Teufel hat ihn da geritten, die Stille im Turniersaal durch den krachenden Verzehr von Chips oder Keksen ("Dezibel-Cracker") zu stören. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass er den akustischen Fauxpas selbst bemerkte und sich wie auf Samtpfoten leise aus dem Turniersaal schlich. Eine Rücksichtnahme, die leider nicht jedem Schachspieler zueigen ist. So war ein Schachspieler aus meiner Gruppe ständig dabei, den mitgebrachten (!) Kaffee aus der Thermoskanne in die Tasse zu beförden [Zur Erinnerung: Der vom Hotel zur Verfügung gestellte Kaffee kostete 50 Cent bzw. ein Euro]. Sowohl beim Aufdrehen als auch beim Zudrehen des Thermosdeckels gab die Kanne ein Quietschgeräusch von sich, wie ich es zuletzt von Herbert Feuerstein aus "Schmidteinander" gehört hatte. Quietsch, quietsch, Quietsch, quietsch… Ist so ein Verhalten nun unhöflich oder bildet sich bei mir gerade eine veritable Idiosynkrasie aus? Ich werde mich diesbezüglich einmal intensiv beobachten. Doch es geht noch schlimmer. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass man während eine Partie das eine oder andere Getränk zu sich nimmt. Schließlich nehme ich mich da nicht aus. Zwei bis drei Tassen Kaffee oder Tee sind für mich durchaus üblich. Natürlich nicht unmittelbar hintereinander, sondern über die gesamte Dauer der Partie verteilt. Doch diese gemächliche Art der Flüssigkeitsaufnahme ist offensichtlich nicht jedermanns Sache. Bei nahezu jedem Turnier ist der Typus Schachspieler vertreten, der den Flüssigkeitsbedarf eines durchschnittlichen Mitteleuropäers binnen Sekunden stillen will. Vorzugsweise aus laut knisternden Plastikflaschen passiert in Windeseile bis zu einem Liter Flüssigkeit die Kehlen jener trinkfreudigen Schächer. Hastig und dabei laut schnaufend wirken sie so, als hätten sie gerade die Sahara zu Fuß durchquert. Darüber kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln.

Ja, Schach haben wir am Tag der Doppelrunde auch noch gespielt. Meine Partie vom Vormittag war sehr interessant und gehaltvoll. Am Ende teilten wir uns verdientermaßen den Punkt. Meinen Mehrbauern hätte ich im Endspiel höchstwahrscheinlich nicht mehr verwerten können, zumal mir auch die Zeit davonlief. Nach der Partie wies mich mein Gegner darauf hin, dass er in diesem Jahr in Wolfenbüttel mit Skandinavisch ebenfalls einen halben Punkt gegen einen Fischbeker, dessen Name ihm leider entfallen war, holen konnte. 

Denis Partie habe ich nicht so genau verfolgen können. Auch er strich in dieser Runde einen halben Punkt ein.

Am Nachmittag gelang mir endlich einmal mit den schwarzen Steinen eine schöne Partie. Ein Schmankerl für Sadisten, die ihren Gegner quälen und foltern möchten, ohne sich dabei selbst in (Verlust-)Gefahr zu bringen. Am Damenflügel konnte sich keine Seite bewegen, in der Mitte hatte ich einen doppelt gedeckten Freibauern auf d4 und am Königsflügel nahmen meine Bauern auf h4 und g3 dn König auf h1, die Dame auf g1 und die Bauern auf h3, g2 und f3 so richtig in den Schwitzkasten. Der Clou des Ganzen bestand natürlich in meinem weißfeldrigen Läufer auf e6, der lüstern auf den Bauern  h3 schielte. Zum Schluß ließ sich mein Gegner noch zeigen, ob ich ein reines Bauernendspiel mit drei verbundenen Mehrbauern gewinen würde. Seine Bauernstreitmacht steckte derweil immer noch auf h3 und g2 fest. Zwar habe ich in letzter Zeit viel Mist zusammengespielt, aber so etwas verbocke ich dann doch nicht mehr. 

Friedfertig endete für Denis das heutige Schachprogramm. Auch in der vierten Runde wollte ihm kein Sieg gelingen. Zum Schluß hatte er ein wenig Glück, dass sein Gegner im Doppelturmendspiel an einer Stelle nicht die besten Züge fand. Das einfache Turmendspiel hielt Denis – trotz Minusbauer – souverän remis.

Morgen (Nein, ogottogott schon heute! Es ist gerade 0.23 Uhr) gibt es kein Schach, sondern "Wandern mit Frank". So steht es zumindest in der Turnierausschreibung, in der auc noch andere Aktivitäten gebuct werden konnten. Prophylaktisch hat sich Denis schon mal eine Fußverletzung (Blase) geholt, vermutlich in der Hoffnung, ich würde ihn den Brocken hinauftragen. So ein Filou.